Abstract
Zusammenfassung
Im Sport, aber auch in anderen Tätigkeiten treten immer wieder Störungen motorischer Leistungsvollzüge auf. Das vorliegende Forschungsprojekt untersucht den sogenannten Yips beim Putten im Golfsport. Hierbei handelt es sich um ein unwillkürliches Zucken der Unterarme bzw. der Handgelenke während der Bewegung des Golfschlägers zum Ball. Dies kann die Leistungsfähigkeit der Betroffenen mindern. Die gegenwärtige Ätiologie erstreckt sich von psychologischen Erklärungsansätzen bis hin zu einer neurologischen Ursachenzuschreibung. Aufgrund der unklaren Ursachenzuschreibung existieren keine wissenschaftlich geprüften Interventionsverfahren. In der vorliegenden Forschungsarbeit wird ein spezifisches Interventionstraining bei betroffenen Golfern angewendet, um wieder Kontrolle über die Motorik zu erlangen. Aus der Interpretation der Wirkweise von exploratorisch eingesetzten Übungen werden neue Hypothesen zum Yips generiert und das Verständnis zum bisher wenig erforschten Phänomen wird erweitert. Hierzu werden eine Studie zur Diagnostik und eine Studie zur Intervention vorgestellt.
In der Diagnostik wurden 131 Golfspieler/-innen aus dem Freizeit- und Leistungsbereich (Handicap -54 – +5), im Alter zwischen 13 und 75 Jahren, mittels einer ultraschallbasierten kinematischen Bewegungsanalyse, auf Yips getestet. Die einhändige Putt-Ausführung mit der dominanten Armseite erwies sich dabei in Verbindung mit einem Grafik-Rating als sensible Methode zur Diagnostik des Yips. Durch die grafische Beurteilung eines spezifischen Rotationsparameters konnten auch latente Formen des Yips aufgedeckt werden. Anhand des ausdifferenzierten Schwellenwertes ergab sich in der Gesamtgruppe eine Yips-Prävalenz von 21,4%. In der Gruppe der Yipper befanden sich auch weniger erfahrene Golfer, die z.T. gerade erst mit dem Golfsport angefangen haben. Es wird vermutet, dass der „Anfängeryips“ sich nicht in der Sportart entwickelt, sondern aus anderen Sportarten oder Tätigkeiten in den Golfsport transferiert wird.
In der Interventionsstudie wurden drei Einzelfälle einem neun- bzw. zehnwöchigen Trainingsprogramm unterzogen. Innerhalb dieses Zeitraumes wurde einmal die Woche eine 30 – 50 minütige Anti-Yips-Trainingseinheit durchgeführt, die unter Aufsicht eines Golftrainers stattfand. Zusätzlich absolvierten die Probanden im Interventionszeitraum eigenständige Trainingseinheiten mit einer Gesamtdauer zwischen 375 min und 958 min. In der Intervention wurden verschiedene kontextmanipulierende Übungen systematisch angewendet. Die ausgewählten Übungen konzentrierten sich auf das Verändern der Aufgabenstruktur einer Putt-Bewegung und sollten zudem die Ergebniserwartung des Golfspielers beeinflussen. Alle drei Probanden waren am Ende der Interventionsphase in der Lage, das chronische Yips-Verhalten außer Kraft zu setzen bzw. zu hemmen. Auch sechs Monate nach Beendigung der Intervention zeigte sich im Follow-Up eine nachhaltige Wirkung der spezifischen Übungen.
Die Ergebnisse lassen vermuten, dass es sich beim Yips nicht um ein neurophysiologisches Problem handelt. Das relativ schnelle Finden von Yips-freien Bewegungsstrukturen bei allen drei Einzelfällen könnte ein Hinweis darauf sein, dass der Yips ein psychologisches Phänomen ist. Die direkte Wirkung der kontextmanipulierenden Übungen auf den Yips und die Aussagen der Betroffenen während der Interventionsphase und im Anschluss daran lassen die Annahme zu, dass der Yips möglicherweise eine unbewusst erlernte Störung ist. Hierbei könnten Konditionierungsprozesse beim Auftreffen des Golfschlägers auf den Golfball eine wichtige Rolle spielen. Der Yips spiegelt ein verstärktes natürliches „Grundzucken“ im Treffmoment wider, welches durch konditionierte Antizipationsprozesse auf den Zusammenstoß außer Kontrolle geraten ist. Diese ungünstigen Lernprozesse könnten auch durch das Ausüben von Sportarten mit einem ähnlichem Bewegungs- und Zusammenstoßmuster in den Golfsport transferiert werden („Transferyips“). Damit lässt sich möglicherweise ein konkreter Zusammenhang zum „Anfängeryips“ herstellen. Die spezifischen Trainingsübungen übernehmen die Funktion eines Konfrontationstrainings. Die erzielten Wirkungen sind Ausdruck eines erfolgten Extinktionslernens. Hierbei wird auch die mentale und emotionale Ebene beeinflusst. Dies könnte auf noch zu erforschende spezifische Zusammenhänge von Kognition, Emotion und Verhalten hinweisen.
Abstract
Disturbances of movement are frequently observed in sports and other activities. The present research project examines the so-called yips occurring during putting in golf. Yips are characterized by an involuntary tremor of the forearms and wrists when swinging the golf club to the ball and may lead to a reduction of the player's performance. The etiology has yet to be determined but current explanatory approaches range from psychological causes to neurologically-based disorders. Due to ambiguous causal attributions there are no scientifically proven intervention methods. In the current research project a specific intervention program was carried out with golf players afflicted by the yips to regain their motor control. The interpretation of effects of exploratory performed exercises generated new hypotheses about the yips and led to a broader understanding of the phenomenon that has been little explored until now. In the following a study on diagnostics and an intervention study are described.
In the diagnostic setting 131 elite and leisure time golfers (handicap -54 - +5) aged 13 to 75 years were examined for the yips using an ultrasound-based kinematic motion analysis. The one-handed putting execution with the dominant arm side combined with a graphic rating scale proved to be a sensible method to diagnose the yips. By graphical evaluation of a specific rotation parameter even latent forms of the yips could be detected. Based on a differentiated threshold the prevalence of experiencing yips was 21.4 % in the whole group. In the group of yippers there were also less experienced golfers, some of whom have only just started to play golf. It is assumed that the “beginner’s yips” has not developed in golf but has been transferred from other kinds of sport or activities into golf sports.
In the intervention study three individuals underwent a 9- or 10-week exercise program. Within this period once a week they were subjected to an anti-yips-training session lasting 30 – 50 minutes guided by a golf instructor. In addition, within the whole intervention period the participants carried out independent training sessions with duration of 375 to 958 min. In the intervention various exercises including manipulative contextual variables were applied systematically. The selected exercises focused on changing the task structure of body movement during putting and simultaneously, aimed at manipulating the golfer’s expectations of the outcome. At the end of the intervention phase all three individuals managed to prevent or inhibit the onset of the chronic yips behavior. Follow up was performed 6 months after intervention and revealed the long lasting effects of the specific exercises.
The results suggest that the yip is not a neurophysiological problem. The ability to rapidly achieve yips-free movement structures in all three individual cases could be an indication that the yips might be classified as psychological phenomenon. The immediate effects of context influencing exercises on the yips and the statements of the volunteers during and after completion of the intervention phase give some evidence that possibly the yips is an unconsciously acquired disturbance of a movement. In this regard conditioning processes in the moment of hitting the ball with the golf club could play an important role. The yips reflects an increased natural “basic jerk” when hitting the ball which got out of control due to conditioned anticipation processes in light of the moment of impact. Likewise, these inappropriate learning processes could be transferred from other sport disciplines with similar body movement and hit patterns into the golf sports (“transfer yips”). This would underline a possible association to the “beginner’s yips”. The specific training exercises take on the function of confrontation training measure. Thus, the results achieved are an expression of extinction learning processes. They also influence the mental and emotional level and provide some evidence that there might be a relationship between cognition, emotion and behavior.
Im Sport, aber auch in anderen Tätigkeiten treten immer wieder Störungen motorischer Leistungsvollzüge auf. Das vorliegende Forschungsprojekt untersucht den sogenannten Yips beim Putten im Golfsport. Hierbei handelt es sich um ein unwillkürliches Zucken der Unterarme bzw. der Handgelenke während der Bewegung des Golfschlägers zum Ball. Dies kann die Leistungsfähigkeit der Betroffenen mindern. Die gegenwärtige Ätiologie erstreckt sich von psychologischen Erklärungsansätzen bis hin zu einer neurologischen Ursachenzuschreibung. Aufgrund der unklaren Ursachenzuschreibung existieren keine wissenschaftlich geprüften Interventionsverfahren. In der vorliegenden Forschungsarbeit wird ein spezifisches Interventionstraining bei betroffenen Golfern angewendet, um wieder Kontrolle über die Motorik zu erlangen. Aus der Interpretation der Wirkweise von exploratorisch eingesetzten Übungen werden neue Hypothesen zum Yips generiert und das Verständnis zum bisher wenig erforschten Phänomen wird erweitert. Hierzu werden eine Studie zur Diagnostik und eine Studie zur Intervention vorgestellt.
In der Diagnostik wurden 131 Golfspieler/-innen aus dem Freizeit- und Leistungsbereich (Handicap -54 – +5), im Alter zwischen 13 und 75 Jahren, mittels einer ultraschallbasierten kinematischen Bewegungsanalyse, auf Yips getestet. Die einhändige Putt-Ausführung mit der dominanten Armseite erwies sich dabei in Verbindung mit einem Grafik-Rating als sensible Methode zur Diagnostik des Yips. Durch die grafische Beurteilung eines spezifischen Rotationsparameters konnten auch latente Formen des Yips aufgedeckt werden. Anhand des ausdifferenzierten Schwellenwertes ergab sich in der Gesamtgruppe eine Yips-Prävalenz von 21,4%. In der Gruppe der Yipper befanden sich auch weniger erfahrene Golfer, die z.T. gerade erst mit dem Golfsport angefangen haben. Es wird vermutet, dass der „Anfängeryips“ sich nicht in der Sportart entwickelt, sondern aus anderen Sportarten oder Tätigkeiten in den Golfsport transferiert wird.
In der Interventionsstudie wurden drei Einzelfälle einem neun- bzw. zehnwöchigen Trainingsprogramm unterzogen. Innerhalb dieses Zeitraumes wurde einmal die Woche eine 30 – 50 minütige Anti-Yips-Trainingseinheit durchgeführt, die unter Aufsicht eines Golftrainers stattfand. Zusätzlich absolvierten die Probanden im Interventionszeitraum eigenständige Trainingseinheiten mit einer Gesamtdauer zwischen 375 min und 958 min. In der Intervention wurden verschiedene kontextmanipulierende Übungen systematisch angewendet. Die ausgewählten Übungen konzentrierten sich auf das Verändern der Aufgabenstruktur einer Putt-Bewegung und sollten zudem die Ergebniserwartung des Golfspielers beeinflussen. Alle drei Probanden waren am Ende der Interventionsphase in der Lage, das chronische Yips-Verhalten außer Kraft zu setzen bzw. zu hemmen. Auch sechs Monate nach Beendigung der Intervention zeigte sich im Follow-Up eine nachhaltige Wirkung der spezifischen Übungen.
Die Ergebnisse lassen vermuten, dass es sich beim Yips nicht um ein neurophysiologisches Problem handelt. Das relativ schnelle Finden von Yips-freien Bewegungsstrukturen bei allen drei Einzelfällen könnte ein Hinweis darauf sein, dass der Yips ein psychologisches Phänomen ist. Die direkte Wirkung der kontextmanipulierenden Übungen auf den Yips und die Aussagen der Betroffenen während der Interventionsphase und im Anschluss daran lassen die Annahme zu, dass der Yips möglicherweise eine unbewusst erlernte Störung ist. Hierbei könnten Konditionierungsprozesse beim Auftreffen des Golfschlägers auf den Golfball eine wichtige Rolle spielen. Der Yips spiegelt ein verstärktes natürliches „Grundzucken“ im Treffmoment wider, welches durch konditionierte Antizipationsprozesse auf den Zusammenstoß außer Kontrolle geraten ist. Diese ungünstigen Lernprozesse könnten auch durch das Ausüben von Sportarten mit einem ähnlichem Bewegungs- und Zusammenstoßmuster in den Golfsport transferiert werden („Transferyips“). Damit lässt sich möglicherweise ein konkreter Zusammenhang zum „Anfängeryips“ herstellen. Die spezifischen Trainingsübungen übernehmen die Funktion eines Konfrontationstrainings. Die erzielten Wirkungen sind Ausdruck eines erfolgten Extinktionslernens. Hierbei wird auch die mentale und emotionale Ebene beeinflusst. Dies könnte auf noch zu erforschende spezifische Zusammenhänge von Kognition, Emotion und Verhalten hinweisen.
Abstract
Disturbances of movement are frequently observed in sports and other activities. The present research project examines the so-called yips occurring during putting in golf. Yips are characterized by an involuntary tremor of the forearms and wrists when swinging the golf club to the ball and may lead to a reduction of the player's performance. The etiology has yet to be determined but current explanatory approaches range from psychological causes to neurologically-based disorders. Due to ambiguous causal attributions there are no scientifically proven intervention methods. In the current research project a specific intervention program was carried out with golf players afflicted by the yips to regain their motor control. The interpretation of effects of exploratory performed exercises generated new hypotheses about the yips and led to a broader understanding of the phenomenon that has been little explored until now. In the following a study on diagnostics and an intervention study are described.
In the diagnostic setting 131 elite and leisure time golfers (handicap -54 - +5) aged 13 to 75 years were examined for the yips using an ultrasound-based kinematic motion analysis. The one-handed putting execution with the dominant arm side combined with a graphic rating scale proved to be a sensible method to diagnose the yips. By graphical evaluation of a specific rotation parameter even latent forms of the yips could be detected. Based on a differentiated threshold the prevalence of experiencing yips was 21.4 % in the whole group. In the group of yippers there were also less experienced golfers, some of whom have only just started to play golf. It is assumed that the “beginner’s yips” has not developed in golf but has been transferred from other kinds of sport or activities into golf sports.
In the intervention study three individuals underwent a 9- or 10-week exercise program. Within this period once a week they were subjected to an anti-yips-training session lasting 30 – 50 minutes guided by a golf instructor. In addition, within the whole intervention period the participants carried out independent training sessions with duration of 375 to 958 min. In the intervention various exercises including manipulative contextual variables were applied systematically. The selected exercises focused on changing the task structure of body movement during putting and simultaneously, aimed at manipulating the golfer’s expectations of the outcome. At the end of the intervention phase all three individuals managed to prevent or inhibit the onset of the chronic yips behavior. Follow up was performed 6 months after intervention and revealed the long lasting effects of the specific exercises.
The results suggest that the yip is not a neurophysiological problem. The ability to rapidly achieve yips-free movement structures in all three individual cases could be an indication that the yips might be classified as psychological phenomenon. The immediate effects of context influencing exercises on the yips and the statements of the volunteers during and after completion of the intervention phase give some evidence that possibly the yips is an unconsciously acquired disturbance of a movement. In this regard conditioning processes in the moment of hitting the ball with the golf club could play an important role. The yips reflects an increased natural “basic jerk” when hitting the ball which got out of control due to conditioned anticipation processes in light of the moment of impact. Likewise, these inappropriate learning processes could be transferred from other sport disciplines with similar body movement and hit patterns into the golf sports (“transfer yips”). This would underline a possible association to the “beginner’s yips”. The specific training exercises take on the function of confrontation training measure. Thus, the results achieved are an expression of extinction learning processes. They also influence the mental and emotional level and provide some evidence that there might be a relationship between cognition, emotion and behavior.
Originalsprache | Deutsch |
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Erscheinungsort | Köln |
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Verlag | Sportverlag Strauß |
Auflage | 1 |
Seitenumfang | 210 |
ISBN (Print) | 978-3-86884-531-0 |
Publikationsstatus | Veröffentlicht - 12.2015 |
Publikationsreihe
Name | Schriftenreihe des Bundesinstituts für Sportwissenschaft |
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Herausgeber (Verlag) | Bundesinstitut für Sportwissenschaft, Bonn; Sportverlag Strauß, Köln |
Band | 2015/2 |