Die Biomechanik des instabilen Patellofemoralgelenkes und die stabilisierende Wirkung von Orthesen

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Abstract

Die Patella verbindet die Quadrizepsmuskulatur mit dem Unterschenkel und besitzt dadurch einen bestimmenden Einfluss auf die Knieextension und die menschliche Fortbewegung. Menschen mit einem patellofemoralen Schmerzsyndrom tolerieren oft nur geringe Belastungen am verletzten Kniegelenk. Betroffene Personen neigen meist dazu ihre körperliche Aktivität zu reduzieren, was mit einer Einschränkung der Aktivitäten des täglichen Lebens einhergeht.
Es wurde bereits gezeigt, dass retropatellare Schmerzen in einem Zusammenhang mit einer patellaren Fehlführung zu sehen sind. Während sich die gesunde Patella bei einer Extension des Kniegelenkes physiologisch zunächst nach medial und in den letzten 30° bis zur Kniestreckung nach lateral entlang der medio-lateralen Achse des Kniegelenkes verlagert, ist eine patellare Fehlführung mit einer reduzierten Medialisierung der Patella charakterisiert. Patellofemorale Schmerzen entstehen sukzessive mit der Zunahme der patellaren Fehlführung, der damit verbundenen Reduktion der retropatellaren Kontaktfläche und der daraus resultierenden Erhöhung der patellofemoralen Druckspitzen. Aus diesen Gründen ist eine effektive Behandlung des patellofemoralen Schmerzsyndroms (PFSS) notwendig. Als eine erste konservative Behandlungsmethode werden oft patellofemorale Orthesen eingesetzt. Diese werden dafür konstruiert, der übermäßigen Lateralisierung der instabilen patellaren Führung entgegen zu wirken, welches in einem Zusammenhang mit der Reduktion patellofemoraler Schmerzen gesehen wird. Allerdings lassen sich in der Literatur nur wenige Nachweise über die biomechanische Wirksamkeit von patellofemoralen Orthesen ableiten. Obwohl unklar ist, ob solche Orthesen für die Therapie des PFSS geeignet sind, ist eine konservative Behandlung mit patellofemoralen Orthesen weit verbreitet.
Aufgrund des Mangels an Evidenz, liegt ein starker Bedarf an Studien vor, die potentiell den Effekt von Orthesen auf das Patellofemoralgelenk und das PFSS zeigen können. Aus diesen Gründen befasste sich die vorliegende Arbeit zunächst mit der grundsätzlichen Funktionsweise und anschließend mit der biomechanischen Wirksamkeit patellofemoraler Orthesen. Die vorliegende Arbeit gliedert sich in drei Teilstudien.
Die erste Studie überprüfte die grundlegenden Biomechanik des Patellofemoralgelenkes und den Effekt der neuartigen Patella Pro (Otto-Bock HealthCare GmbH, 2016) und der konventionellen Genu Train P3 Bandage (Bauerfeind AG, 2016) auf die Kinematik des Patellofemoralgelenkes in vitro am Humanpräparat. Dazu wurde der Effekt der Orthesen auf die Kinematik des Patellofemoralgelenkes bei passiven Kniestreckbewegungen zwischen 45° und 0° untersucht. Die Quadrizepsmuskulatur wurde mithilfe einer Halterung unter Zugspannung gebracht. Es konnte festgestellt werden, dass die neuartige Orthese zu einer Medialisierung der Patella beiträgt. Dagegen konnte bei der konventionellen Orthese kein Effekt auf die medio-laterale Verlagerung nachgewiesen werden, daraufhin wurde diese Orthese nicht weiter untersucht.
Die zweite Studie untersuchte die Veränderung der patellofemoralen Kinematik durch die Patella Pro Orthese mithilfe einer Magnetresonanztomografie in vivo an patellofemoral instabilen Patienten mit PFSS. Dazu wurden statische Kniewinkel (0°, 10°, 20°, 30°) unter unterschiedlichen kontrollierten isometrischen Kniegelenksbelastungen (5 %, 25 %, 50 % des Körpergewichtes) analysiert. Die Ergebnisse zeigten eine positive Beeinflussung der Patella durch die Orthese. Die Orthese konnte die Patella bei geringer Belastung der Kniestreckmuskulatur nahe der Kniestreckung medialisieren und den lateralen patellaren Tilt bei Kniestreckung vermindern. Allerdings konnte kein Einfluss der Orthese auf die Kinematik der Patella bei erhöhter isometrischer Belastung der Kniestreckmuskulatur ermittelt werden.
In der dritten Studie wurde abschließend die dynamische biomechanische Wirksamkeit der Patella Pro Orthese auf den patellofemoralen Schmerz und die tibiofemorale Kinematik und Kinetik unter den kniebelastenden Aktivitäten Counter-Movement-Sprünge und isokinetische Knieextensionen an Probanden mit instabilem Patellofemoralgelenk und PFSS untersucht. Die Sprünge wurden mit maximaler Sprunghöhe und die isokinetischen Knieextensionen (90°/s) zwischen 45° und 0° mit maximal generierbarem Extensionsmoment ausgeführt. Durch das Tragen der Orthese konnte eine Erhöhung der Knieextensionsmomente bei den Sprüngen und bei den isokinetischen Knieextensionen festgestellt werden. Weiterhin konnte bei den Sprüngen eine Erhöhung der Sprunghöhe und eine Reduktion des empfundenen patellofemoralen Schmerzes gefunden werden.
Die Funktionsweise der neuartigen Orthese konnte in der vorliegenden Arbeit gezeigt werden. Die Ergebnisse deuteten darauf hin, dass die Orthese in der Lage ist, die Fehlführung der Patella zu korrigieren und das patellofemorale Schmerzsyndrom zu lindern. Obwohl der Einfluss der Orthese auf die Kinematik der Patella bei erhöhten Belastungen der Kniestreckmuskulatur statistisch nicht nachgewiesen werden konnte, wurde dennoch gezeigt, dass das Tragen der Orthese die Toleranz von hohen Belastungen des Kniegelenkes erhöht. Durch das Tragen der Orthese kann betroffenen Personen ermöglicht werden, Kräftigungsübungen der Kniestreckmuskulatur auszuüben und Aktivitäten des täglichen Lebens wiederaufzunehmen. Folglich kann die neuartige Orthese für die Behandlung des patellofemoralen Schmerzsyndroms empfohlen werden.
OriginalspracheDeutsch
ErscheinungsortKöln
VerlagDeutsche Sporthochschule Köln
Seitenumfang160
PublikationsstatusVeröffentlicht - 2016

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