Empowerment-Klima und Erfahrungen interpersonaler Gewalt von Athlet*innen im organisierten Sport

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Abstract

In Zusammenhang mit kürzlich bekannt gewordenen Fällen interpersonaler Gewalt im organisierten Sport werden unter anderem der Umgang von Trainer*innen mit Athlet*innen sowie das vorherrschende Trainingsklima als begünstigender Faktor für deren Entstehung diskutiert. Laut Duda und Appleton (2016) kann das Trainingsklima durch Trainer*innen Empowermentstärkend (Aufgabenorientierung, Autonomieunterstützung, soziale Unterstützung) oder Empowerment-schwächend (Ego-Orientierung, Kontrolle) gestaltet sein. Dem Ansatz des Empowerment-Klimas liegt, entsprechend der Selbstbestimmungstheorie (Deci & Ryan, 2000), zu Grunde, dass die drei psychologischen Grundbedürfnisse nach Autonomie, Kompetenz und sozialer Eingebundenheit berücksichtigt werden und so die Entstehung intrinsischer Motivation der Athlet*innen begünstigt wird (Ohlert & Zepp, 2020). Zum Zusammenhang zwischen dem Empowerment-Klima und dem Auftreten interpersonaler Gewalt liegen bislang noch keine Studien vor, obwohl ein solcher Zusammenhang angenommen werden kann. Denn ein Empowerment-schwächendes Klima unterstreicht die Machtposition der Trainerin bzw. des Trainers, was als Risikofaktor für das Auftreten interpersonaler Gewalt angesehen werden kann (Brackenridge, 2001). Um diese Forschungslücke zu schließen, wurden 830 Athlet*innen aus über 50 Sportarten (62% weiblich; Alter: M = 20.8, SD = 6.68) hinsichtlich des Empowerment-Klimas in ihrer Trainingsgruppe mittels der deutschen Version des EDMCQ (Ohlert, 2018) befragt. Zudem wurden ihre Erfahrungen interpersonaler Gewalt (psychische, körperliche und sexualisierte Gewalt) im Sport erhoben. Die Ergebnisse von drei MANOVAs zeigen, dass sich die Athlet*innen, die psychische (F(6, 641) = 4.180, p < .001, η2 = .038), körperliche (F(6, 638) = 6.425, p < .001, η2 = .057) oder sexualisierte Gewalt (F(6, 637) = 2.202, p = .041, η2 = .020) erfahren haben, hinsichtlich der Wahrnehmung des Empowerment-Klimas in ihrer Trainingsgruppe von den Athlet*innen unterscheiden, die keine Erfahrungen der jeweiligen Gewaltform gemacht haben. Betroffene Athlet*innen psychischer Gewalt empfinden weniger Aufgabenorientierung, Autonomieunterstützung und soziale Unterstützung sowie mehr Ego-Orientierung und Kontrolle. Betroffene Athlet*innen nehmen das Trainingsklima also als weniger Empowerment-stärkend und mehr Empowerment-schwächend wahr als nicht-betroffene Athlet*innen. Gleiches gilt für die betroffenen Athlet*innen körperlicher Gewalt im Vergleich zu nicht-betroffenen Athlet*innen. Betroffene Athlet*innen sexualisierter Gewalt nehmen das Trainingsklima ebenfalls als weniger Empowerment-stärkend (mit Ausnahme hinsichtlich der sozialen Unterstützung) und mehr Empowerment-schwächend wahr als nicht-betroffene Athlet*innen. Auch wenn die Ergebnisse keine direkten Rückschlüsse auf das Empowerment-Klima als Ursache für das Auftreten interpersonaler Gewalt zulassen, geben sie einen Hinweis auf einen solchen Zusammenhang. Weitere Untersuchungen, wie beispielsweise eine qualitative Studie mit betroffenen Athlet*innen, sind notwendig um genauere Erkenntnisse zu erlangen. Basierend auf den Ergebnissen sollte zur Prävention sexualisierter Gewalt im Sport Athlet*innen mehr Mitspracherecht, beispielsweise hinsichtlich der Trainings- und Wettkampfplanung, eingeräumt werden.
OriginalspracheDeutsch
Titelasp 2021 - Abstractband : Talententwicklung & Coaching im Sport : 53. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie (asp) : Tübingen (online, 13.-15.05.2021)
Herausgeber*innenOliver Höner, Svenja Wachsmuth, Martin Leo Reinhard, Florian Schulz
Seitenumfang1
ErscheinungsortTübingen
Herausgeber (Verlag)Eberhard Karls Universität Tübingen, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Institut für Sportwissenschaft
Erscheinungsdatum2021
Seiten67
DOIs
PublikationsstatusVeröffentlicht - 2021
VeranstaltungJahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie: Talententwicklung & Coaching im Sport - Tübingen (Online), Tübingen, Deutschland
Dauer: 13.05.202115.05.2021
Konferenznummer: 53
http://dx.doi.org/10.15496/publikation-57943
https://www.asp2021.de

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