Historisches europäisches Langschwertfechten als sonderpädagogische Fördermaßnahme: Untersuchungen zur sozio-emotionalen Entwicklung von Schüler:innen an einem sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum mit Förderschwerpunkt Lernen

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Abstract

Mädchen und Jungen mit Unterstützungsbedarf im Förderschwerpunkt Lernen stellen
nicht nur die mit Abstand größte Gruppe an Förderschüler:innen dar
(Kultusministerkonferenz, 2022), sie sind auch auf vielfältige Weise benachteiligt. Viele
von ihnen weisen neben einem verminderten Lern- und Leistungsverhalten erhebliche
Defizite in ihrer sozio-emotionalen Entwicklung auf (Gold et al., 2018; Heimlich, 2016;
Peer, 2016). Aus Sicht der potentialorientierten Pädagogik für besondere Bedürfnisse
ist dies als ein Zurückbleiben aufgrund von ungeeigneten Lern- und
Entwicklungsbedingungen zu verstehen (Heimlich, 2016). Als besonders
schwerwiegend werden in diesem Zusammenhang frühe Bindungstraumatisierungen
angesehen (Günther 2012 in Heimlich 2016, Klein 2001 in Gebhardt 2021; M.
Schröder et al., 2022; Vasquez & Miller, 2018).
Gleichzeitig wird aufbauend auf der fachdidaktischen Auslegung des Erziehungs- und
Bildungsauftrages des Sportunterrichts (Bähr et al., 2013; Scheid & Prohl, 2017) davon
ausgegangen, dass Sport zumindest in der Theorie die sozio-emotionale Entwicklung
von Schüler:innen fördern kann. Dies trifft insbesondere auf das Praktizieren von
sanften Kampfkünsten zu (Liebl, 2012; Lindel & König, 2018; Marusak et al., 2022;
Pinto-Escalona et al., 2022).
So wurde in dieser Arbeit mithilfe der qualitativen Sozialforschung die Frage
untersucht, inwieweit das Langschwertfechten die sozio-emotionale Entwicklung von
Schüler:innen mit Unterstützungsbedarf im Förderschwerpunkt Lernen fördern kann.
Hierzu wurde eine sechste Klasse eines sonderpädagogischen Bildungs- und
Beratungszentrum mit Förderschwerpunkt Lernen ein Schuljahr lang im Rahmen einer
spezifischen Intervention im historischen Langschwerfechten unterrichtet. Mit den
Schüler:innen und der Klassenlehrerin wurden Prä-, Post- und Retentions-Interviews
durchgeführt (Conzelmann et al., 2011; Magnaguagno et al., 2016), sowie die
Fechtintervention mittels Videobeobachtung begleitet (Wolff, 2017). Als Retentions-
Erhebung kam das Stimulated-Recall-Verfahren zum Einsatz (Messmer, 2015;
Schneider-Binkl & Gaul, 2018).
Die Auswertung mithilfe der „inhaltlich-strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse“
(Schreier, 2014) nach zwölf deduktiv und induktiv gewonnenen Kategorien ergab bei
allen Schüler:innen positive Veränderungen in mehreren Kategorien. Vereinzelt traten
auch temporäre Verschlechterungen auf, allerdings nie aus allenErhebungsperspektiven. Eine Quantifizierung der Ergebnisse ergab das folgende
Verbesserungs-Ranking nach Kategorien: Konfliktfähigkeit: 42,50 %, sozioemotionales
Verhalten: 39,58 %, Leistungsbeschreibung: 38,75 %, Motivation:
25,77 %, emotionaler Selbstausdruck: 24,32 %, Selbstregulation: 21,18 %,
Selbstorganisation: 20,93 %, schulisches Wohlbefinden: 15,52 %, soziale Integration:
14,29 %, Aggression 5,96 % und Angst 3,61 % mit einem Mittelwert von 22,57 %
(Standartabweichung 12,10).
Der Nachhaltigkeitswert der Intervention liegt bei durchschnittlich 55,73 %
(Standartabweichung 27,01). Damit ist die positive Veränderung von 36 % der
Schüler:innen als stabil, von 45 % als bedingt stabil und von 18 % als nicht stabil zu
betrachten.
OriginalspracheDeutsch
ErscheinungsortKöln
VerlagDeutsche Sporthochschule Köln
Seitenumfang228
PublikationsstatusVeröffentlicht - 2023

Zitation