TY - BOOK
T1 - Körperliche Leistungsfähigkeit und hämodynamische Veränderungen bei Patienten mit einem linksventrikulären Herzunterstützungssystem (LVAD)
AU - Schmidt, Thomas
PY - 2018
Y1 - 2018
N2 - Hintergrund:
Mit stetig steigender Prävalenz stellt die Herzinsuffizienz ein bedeutendes Gesundheitsproblem der globalen Welt dar. In der Behandlung der terminalen Herzinsuffizienz gilt die Herztransplantation als Gold-Standard-Verfahren. Aufgrund der seit langem sinkenden Transplantationszahlen hat sich in den letzten Jahren die Therapie mittels linksventrikulärer Herzunterstützungssysteme (LVAD) als Alternative bewährt. Mittlerweile werden die Systeme nicht mehr nur als Überbrückung bis zu einer Herztransplantation sondern in den meisten Fällen als dauerhafte Therapie implantiert. Bei Überlebenszeiten von teilweise über 10 Jahren bedeutet dies, dass die kumulative Anzahl an LVAD-Patienten zukünftig deutlich steigen wird.
Ziele:
Die vorliegende kumulative Dissertation umfasst 3 Publikationen, in denen aktuelle sportwissenschaftliche Fragestellungen der LVAD-Therapie beantwortet werden. Untersuchungsziele waren: Erstens: die Messung der körperlichen Leistungsfähigkeit und der funktionalen Kapazität am Ende einer stationären Rehabilitationsmaßnahme; Zweitens: die Evaluierung der hämodynamischen Veränderungen unter körperlicher Belastung; Drittens: die Beschreibung der Effekte von LVAD-Drehzahlveränderungen auf die körperliche Leistungsfähigkeit.
Methoden und Ergebnisse:
In der ersten Studie wurden retrospektiv und monozentrisch die spiroergometrischen Daten und die 6-Minuten-Gehstrecken von 68 LVAD-Patienten (87 % männlich, 56 ± 12 Jahre, BMI 26 ± 5) zum Abschluss einer 3-wöchigen stationären Anschlussheilbehandlung (53 ± 17 Tage nach LVAD-Implantation) untersucht. Die maximale Sauerstoffaufnahme war erheblich reduziert und lag im Mittel bei 10,6 ± 2,9 ml/kg/min (37 % des Referenzwertes). Die 6-Minuten-Gehstrecke lag auf einem deutlich höheren Niveau von im Mittel 405 ± 77 m (67 % des Referenzwertes).
In der zweiten Studie wurden prospektiv und monozentrisch bei 20 LVADPatienten
(100 % männlich, 61 ± 7 Jahre, BMI 26 ± 3) die Veränderungen des Herzminutenvolumens (CO, cardiac output) und der arteriovenösen Sauerstoffdifferenz (avDO2) in Ruhe und auf drei verschiedenen Belastungsstufen mittels Inertgas-Rückatmungsmethode untersucht (46 ± 12 Tage nach LVAD-Implantation). Das total CO steigerte sich von im Mittel 3,8 ± 0,9 l/min in Ruhe auf durchschnittlich 7,0 ± 1,4 l/min auf der höchsten Belastungsstufe. Die avDO2 erhöhte sich von im Mittel 7,4 ± 1,9 ml/dl (44 % des Sauerstoffgehalts im Blut) in Ruhe auf durchschnittlich 13,2 ± 3,1 ml/dl (75 % des Sauerstoffgehalts im Blut) auf der höchsten Belastungsstufe. Es gab einen signifikanten Anstieg des total CO (p < 0,01) und der avDO2 (p < 0,05)
zwischen den Ruhe-Werten und der ersten Belastungsstufe. Mit ansteigender Belastung konnten keine weiteren signifikanten Steigerungen mehr gemessen
werden. Auf der höchsten Belastungsstufe gab es eine deutliche lineare Korrelation zwischen dem total CO-Defizit und der avDO2 (r = 0,93, p < 0,01). In der dritten Studie wurde eine systematische Literaturrecherche in PubMed durchgeführt. Es wurden Publikationen ausgewählt, in denen die Effekte von mindestens zwei verschiedenen LVAD-Drehzahleinstellungen auf die körperliche Leistungsfähigkeit untersucht worden sind. 11 Studien mit insgesamt 161 LVAD-Patienten konnten eingeschlossen werden. Erhöhungen der LVAD-Drehzahleinstellungen wirkten sich positiv auf die submaximalen Leistungswerte (z.B. an der anaeroben Schwelle) aus.
Bezogen auf die maximalen Leistungswerte konnten nur Patienten mit erhaltener
rechtsventrikulärer systolischer Funktion von LVAD-Drehzahlerhöhungen profitieren. In einer Studie sind durch LVAD-Drehzahlveränderungen Komplikationen aufgetreten.
Diskussion:
Die Ergebnisse müssen vor dem Hintergrund der besonderen hämodynamischen Situation nach einer LVAD-Implantation gesehen werden: In Ruhe fließt das total CO meistens vollständig über das LVAD. Unter Belastung kann häufig ein zusätzlicher paralleler Auswurf über die Aortenklappe generiert werden.
Die Erkenntnisse der kumulativen Dissertation zeigen, dass das CO-Defizit unter submaximaler Belastung durch den zusätzlichen Auswurf über die Aortenklappe gering ist. Entsprechend hoch fallen die Werte im 6-Minuten-Gehtest aus. Mit ansteigender Belastung ist eine weitere Steigerung des total CO aufgrund der fest eingestellten LVAD-Umdrehungszahl und der eingeschränkten linksventrikulären Restfunktion nicht mehr möglich. Der Organismus kompensiert das entstandene total CO-Defizit durch eine erhöhte avDO2. Da die avDO2 nach oben hin begrenzt ist, gelingt diese Kompensation nur bis zu einem gewissen Belastungsgrad, sodass die maximale Sauerstoffaufnahme erheblich limitiert bleibt.
Eine Steigerung des total CO - und damit auch der maximalen Sauerstoffaufnahme - könnte durch einen erhöhten LVAD-Pumpenfluss erzielt werden. Erhöhungen der LVAD-Drehzahleinstellungen wirken sich jedoch nur bei erhaltener rechtsventrikulärer systolischer Funktion positiv auf die maximalen Leistungswerte aus, da ein schwacher rechter Ventrikel den erhöhten venösen Rückstrom nicht mehr vollständig zum linken Ventrikel weiterleiten kann. Es ist zu beachten, dass Drehzahlveränderungen ohne
kardiale Kontrollparameter mit zusätzlichen Risiken einhergehen können.
Ausblick:
Eine Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit kann bei LVAD Patienten insbesondere durch eine verbesserte neuromuskuläre Ansteuerung und eine erhöhte avDO2 erreicht werden. Dafür müssen die für LVAD-Patienten derzeit begrenzten bewegungstherapeutischen Nachsorgeangebote erweitert werden. Bezüglich der Trainingsgestaltung sollten Langzeitstudien in Verbindung mit verschiedenen Trainingsmodalitäten angestrebt werden, um wirksame Nachsorgeprogramme für diese Zielgruppe zu identifizieren.
In der Zukunft wird sich zeigen, inwieweit die erwarteten technischen Fortschritte wie z.B. eine belastungsadaptierte LVAD-Drehzahlsteuerung oder eine transkutane Energieübertragung sich positiv auf die körperliche Leistungsfähigkeit, sowie die Teilhabe und Lebensqualität von LVAD-Patienten auswirken können.
AB - Hintergrund:
Mit stetig steigender Prävalenz stellt die Herzinsuffizienz ein bedeutendes Gesundheitsproblem der globalen Welt dar. In der Behandlung der terminalen Herzinsuffizienz gilt die Herztransplantation als Gold-Standard-Verfahren. Aufgrund der seit langem sinkenden Transplantationszahlen hat sich in den letzten Jahren die Therapie mittels linksventrikulärer Herzunterstützungssysteme (LVAD) als Alternative bewährt. Mittlerweile werden die Systeme nicht mehr nur als Überbrückung bis zu einer Herztransplantation sondern in den meisten Fällen als dauerhafte Therapie implantiert. Bei Überlebenszeiten von teilweise über 10 Jahren bedeutet dies, dass die kumulative Anzahl an LVAD-Patienten zukünftig deutlich steigen wird.
Ziele:
Die vorliegende kumulative Dissertation umfasst 3 Publikationen, in denen aktuelle sportwissenschaftliche Fragestellungen der LVAD-Therapie beantwortet werden. Untersuchungsziele waren: Erstens: die Messung der körperlichen Leistungsfähigkeit und der funktionalen Kapazität am Ende einer stationären Rehabilitationsmaßnahme; Zweitens: die Evaluierung der hämodynamischen Veränderungen unter körperlicher Belastung; Drittens: die Beschreibung der Effekte von LVAD-Drehzahlveränderungen auf die körperliche Leistungsfähigkeit.
Methoden und Ergebnisse:
In der ersten Studie wurden retrospektiv und monozentrisch die spiroergometrischen Daten und die 6-Minuten-Gehstrecken von 68 LVAD-Patienten (87 % männlich, 56 ± 12 Jahre, BMI 26 ± 5) zum Abschluss einer 3-wöchigen stationären Anschlussheilbehandlung (53 ± 17 Tage nach LVAD-Implantation) untersucht. Die maximale Sauerstoffaufnahme war erheblich reduziert und lag im Mittel bei 10,6 ± 2,9 ml/kg/min (37 % des Referenzwertes). Die 6-Minuten-Gehstrecke lag auf einem deutlich höheren Niveau von im Mittel 405 ± 77 m (67 % des Referenzwertes).
In der zweiten Studie wurden prospektiv und monozentrisch bei 20 LVADPatienten
(100 % männlich, 61 ± 7 Jahre, BMI 26 ± 3) die Veränderungen des Herzminutenvolumens (CO, cardiac output) und der arteriovenösen Sauerstoffdifferenz (avDO2) in Ruhe und auf drei verschiedenen Belastungsstufen mittels Inertgas-Rückatmungsmethode untersucht (46 ± 12 Tage nach LVAD-Implantation). Das total CO steigerte sich von im Mittel 3,8 ± 0,9 l/min in Ruhe auf durchschnittlich 7,0 ± 1,4 l/min auf der höchsten Belastungsstufe. Die avDO2 erhöhte sich von im Mittel 7,4 ± 1,9 ml/dl (44 % des Sauerstoffgehalts im Blut) in Ruhe auf durchschnittlich 13,2 ± 3,1 ml/dl (75 % des Sauerstoffgehalts im Blut) auf der höchsten Belastungsstufe. Es gab einen signifikanten Anstieg des total CO (p < 0,01) und der avDO2 (p < 0,05)
zwischen den Ruhe-Werten und der ersten Belastungsstufe. Mit ansteigender Belastung konnten keine weiteren signifikanten Steigerungen mehr gemessen
werden. Auf der höchsten Belastungsstufe gab es eine deutliche lineare Korrelation zwischen dem total CO-Defizit und der avDO2 (r = 0,93, p < 0,01). In der dritten Studie wurde eine systematische Literaturrecherche in PubMed durchgeführt. Es wurden Publikationen ausgewählt, in denen die Effekte von mindestens zwei verschiedenen LVAD-Drehzahleinstellungen auf die körperliche Leistungsfähigkeit untersucht worden sind. 11 Studien mit insgesamt 161 LVAD-Patienten konnten eingeschlossen werden. Erhöhungen der LVAD-Drehzahleinstellungen wirkten sich positiv auf die submaximalen Leistungswerte (z.B. an der anaeroben Schwelle) aus.
Bezogen auf die maximalen Leistungswerte konnten nur Patienten mit erhaltener
rechtsventrikulärer systolischer Funktion von LVAD-Drehzahlerhöhungen profitieren. In einer Studie sind durch LVAD-Drehzahlveränderungen Komplikationen aufgetreten.
Diskussion:
Die Ergebnisse müssen vor dem Hintergrund der besonderen hämodynamischen Situation nach einer LVAD-Implantation gesehen werden: In Ruhe fließt das total CO meistens vollständig über das LVAD. Unter Belastung kann häufig ein zusätzlicher paralleler Auswurf über die Aortenklappe generiert werden.
Die Erkenntnisse der kumulativen Dissertation zeigen, dass das CO-Defizit unter submaximaler Belastung durch den zusätzlichen Auswurf über die Aortenklappe gering ist. Entsprechend hoch fallen die Werte im 6-Minuten-Gehtest aus. Mit ansteigender Belastung ist eine weitere Steigerung des total CO aufgrund der fest eingestellten LVAD-Umdrehungszahl und der eingeschränkten linksventrikulären Restfunktion nicht mehr möglich. Der Organismus kompensiert das entstandene total CO-Defizit durch eine erhöhte avDO2. Da die avDO2 nach oben hin begrenzt ist, gelingt diese Kompensation nur bis zu einem gewissen Belastungsgrad, sodass die maximale Sauerstoffaufnahme erheblich limitiert bleibt.
Eine Steigerung des total CO - und damit auch der maximalen Sauerstoffaufnahme - könnte durch einen erhöhten LVAD-Pumpenfluss erzielt werden. Erhöhungen der LVAD-Drehzahleinstellungen wirken sich jedoch nur bei erhaltener rechtsventrikulärer systolischer Funktion positiv auf die maximalen Leistungswerte aus, da ein schwacher rechter Ventrikel den erhöhten venösen Rückstrom nicht mehr vollständig zum linken Ventrikel weiterleiten kann. Es ist zu beachten, dass Drehzahlveränderungen ohne
kardiale Kontrollparameter mit zusätzlichen Risiken einhergehen können.
Ausblick:
Eine Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit kann bei LVAD Patienten insbesondere durch eine verbesserte neuromuskuläre Ansteuerung und eine erhöhte avDO2 erreicht werden. Dafür müssen die für LVAD-Patienten derzeit begrenzten bewegungstherapeutischen Nachsorgeangebote erweitert werden. Bezüglich der Trainingsgestaltung sollten Langzeitstudien in Verbindung mit verschiedenen Trainingsmodalitäten angestrebt werden, um wirksame Nachsorgeprogramme für diese Zielgruppe zu identifizieren.
In der Zukunft wird sich zeigen, inwieweit die erwarteten technischen Fortschritte wie z.B. eine belastungsadaptierte LVAD-Drehzahlsteuerung oder eine transkutane Energieübertragung sich positiv auf die körperliche Leistungsfähigkeit, sowie die Teilhabe und Lebensqualität von LVAD-Patienten auswirken können.
M3 - Dissertationsschrift
BT - Körperliche Leistungsfähigkeit und hämodynamische Veränderungen bei Patienten mit einem linksventrikulären Herzunterstützungssystem (LVAD)
PB - Deutsche Sporthochschule Köln
CY - Köln
ER -