Abstract
Fussballverbände und -vereine investieren viele Ressourcen in die Optimierung des Identifikations- (TID) und Entwicklungsprozesses (TE) vielversprechender junger Talente. Die Praxis aktueller TID- und TE-Prozesse im Fussball ist auf Erkenntnisse aus der Sportwissenschaft angewiesen (Williams et al., 2020). Das übergeordnete Ziel dieser Arbeit war es, praktische Massnahmen zur Verbesserung von TID- und TE-Prozesse im Fussball zu entwickeln und wissenschaftlich zu evaluieren (KAPITEL 3, Originalstudie «Bio-banding»; KAPITEL 4, Originalstudie «Player-labelling»; KAPITEL 5, Originalstudie «Scout agreement»).
Originalstudie «Bio-banding». Bio-banding (BB) wurde entwickelt, um die Auswirkungen von Unterschieden in der biologischen Entwicklung bei Nachwuchssportlern zu verringern. Dies ist die erste Studie, in der untersucht wurde, ob BB im Vergleich zu chronologischen Alterskategorien (CA) auf Reliabilität geprüfte physiologische und technisch-taktische key performance Indikatoren (KPIs) im Spiel beeinflusst. 65 Nachwuchs-Elitefussballer der CA unter 13 (U13) und unter 14 (U14) Jahren mit einem Abstand zum Wachstumsspurt (MO) zwischen -2,5 und 0,5 Jahren nahmen an einem BB- und einem CA-Spiel teil. Für die statistische Analyse wurden die Spieler nach CA und MO in vier Untergruppen eingeteilt: U13MOniedrig (CA ≤ 12.7, MO ≤ −1.4), U13MOhoch (CA ≤ 12.7, MO > −1.4), U14MOniedrig (CA > 12.7, MO ≤ −1.4), U14MOhoch (CA > 12.7, MO > −1.4). Die zweifaktorielle gemischte ANOVA ergab signifikante (p < .05) Interaktionen zwischen Wettbewerbsformat und Untergruppe für die KPIs hohe Beschleunigungen (𝜂𝑝2 = .176), Balleroberungen (𝜂𝑝2 = .227) und Offensivaktionen (𝜂𝑝2 = .146). U13MOhoch standen in BB-Spielen durch mehr höhere Beschleunigungen einer grösseren physiologischen Herausforderungen gegenüber (|d| = 0.6). U14MOniedrig hatten mehr Gelegenheiten, ihre technisch-taktischen Fähigkeiten mit mehr Balleroberungen (|d| = 1.1) und Offensivaktionen (|d| = 1.6) zu zeigen. Neue Herausforderungen und Lernmöglichkeiten während des BB-Wettbewerbs in Abhängigkeit der individuellen Entwicklung eines Spielers können vorteilhaft eingesetzt werden, um die TE von Nachwuchs-Elitefussballern zu verbessern.
Originalstudie «Player-labelling». Die Tatsache, dass potenziell talentierte, aber biologisch sich später entwickelnde Athleten seltener in Talentförderprogramme (TDP)
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aufgenommen werden, kann ein Problem bei der TID im Sport sein. Um Selektionsverzerrungen aufgrund der biologischen Entwicklung auszugleichen, sollte eine von der biologischen Entwicklung unabhängige TID etabliert werden, damit talentierte Spätentwickler häufiger in Talentförderprogramme aufgenommen werden. Mit Hilfe eines randomisierten Parallelgruppendesigns wurde in dieser Studie die Wirkung der Kennzeichnung der biologischen Entwicklung von männlichen U11-Fußballspielern (n = 24, Alter = 11,0 ± 0,3 Jahre) mithilfe der Rückennummern (= Player-labelling (PL)) auf Ranglisten von Talentscouts (n = 83, Scouting-Erfahrung = 4,8 ± 2,4 Jahre) untersucht. Nach der Beobachtung von videoaufgezeichneten Selektionsturnieren stuften über die Kennzeichnung "informierte" Scouts weniger weit entwickelte Spieler in Bezug auf ihr Potential signifikant höherer ein (t(81) = 2.57, p = .012, d = −0.6, 95% CI [−1.00, −0.13]) als "nicht-informierte" Scouts. Aufgrund der geänderten Ranglisten, die weniger weit entwickelte Spieler unterstützten, könnte PL eine praktikable Strategie zur Verbesserung der TID darstellen, indem mögliche Selektionsverzerrungen aufgrund der biologischen Entwicklung beseitigt werden. Um Selektionsverzerrungen und die potenziellen positiven Auswirkungen von PL umfassender zu untersuchen, sind weitere Forschungen mit männlichen und weiblichen Athleten in verschiedenen Alterskategorien und Sportarten empfehlenswert.
Originalstudie «Scout agreement». Zuverlässige TID Prozesse sind Voraussetzungen für die genaue Auswahl junger Sportler mit dem größten Potenzial für Talentförderprogramme. Das Wissen über die Übereinstimmung zwischen den Scouts, die eine Schlüsselrolle bei der initialen TID im Fussball spielen, ist gering. Ziel der vorliegenden Studie war es daher, die Übereinstimmung innerhalb von vier Gruppen von insgesamt n = 83 Talentscouts bei der Rangbeurteilung von männlichen Jugendfußballspielern unter 11 Jahren (n = 24, Alter = 11,0 ± 0,3 Jahre) zu bewerten und die zugrunde liegende Herangehensweise der Scouts bei der Talentbewertung zu beschreiben. Krippendorffs α-Schätzungen deuteten auf Unstimmigkeiten bei den Einstufungen der Scouts innerhalb aller Scout-Gruppen hin (αA = 0.09, αB = 0.03, αC = 0.05, αD = 0.02). Die Scouts gaben an, sich bei ihrer endgültigen Einschätzung eines Spielers hauptsächlich auf ihren Gesamteindruck zu stützen. Berichte über ein konsequentes, strukturiertes Vorgehen waren weniger verbreitet. Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass unterschiedliche Herangehensweisen an die TID mit
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unterschiedlichen Auswahlentscheidungen verbunden sein können. Um Unstimmigkeiten bei der TID zu überwinden, sollten Fußballorganisationen daher einen strukturierteren Prozess einführen. Zukünftige Forschungen zur Ausarbeitung und zum Nutzen von Richtlinien, die aufgeschlüsselte und unabhängig bewertete Sub-Talentprädiktoren enthalten, werden empfohlen, um die Zuverlässigkeit der TID zu verbessern.
Originalstudie «Bio-banding». Bio-banding (BB) wurde entwickelt, um die Auswirkungen von Unterschieden in der biologischen Entwicklung bei Nachwuchssportlern zu verringern. Dies ist die erste Studie, in der untersucht wurde, ob BB im Vergleich zu chronologischen Alterskategorien (CA) auf Reliabilität geprüfte physiologische und technisch-taktische key performance Indikatoren (KPIs) im Spiel beeinflusst. 65 Nachwuchs-Elitefussballer der CA unter 13 (U13) und unter 14 (U14) Jahren mit einem Abstand zum Wachstumsspurt (MO) zwischen -2,5 und 0,5 Jahren nahmen an einem BB- und einem CA-Spiel teil. Für die statistische Analyse wurden die Spieler nach CA und MO in vier Untergruppen eingeteilt: U13MOniedrig (CA ≤ 12.7, MO ≤ −1.4), U13MOhoch (CA ≤ 12.7, MO > −1.4), U14MOniedrig (CA > 12.7, MO ≤ −1.4), U14MOhoch (CA > 12.7, MO > −1.4). Die zweifaktorielle gemischte ANOVA ergab signifikante (p < .05) Interaktionen zwischen Wettbewerbsformat und Untergruppe für die KPIs hohe Beschleunigungen (𝜂𝑝2 = .176), Balleroberungen (𝜂𝑝2 = .227) und Offensivaktionen (𝜂𝑝2 = .146). U13MOhoch standen in BB-Spielen durch mehr höhere Beschleunigungen einer grösseren physiologischen Herausforderungen gegenüber (|d| = 0.6). U14MOniedrig hatten mehr Gelegenheiten, ihre technisch-taktischen Fähigkeiten mit mehr Balleroberungen (|d| = 1.1) und Offensivaktionen (|d| = 1.6) zu zeigen. Neue Herausforderungen und Lernmöglichkeiten während des BB-Wettbewerbs in Abhängigkeit der individuellen Entwicklung eines Spielers können vorteilhaft eingesetzt werden, um die TE von Nachwuchs-Elitefussballern zu verbessern.
Originalstudie «Player-labelling». Die Tatsache, dass potenziell talentierte, aber biologisch sich später entwickelnde Athleten seltener in Talentförderprogramme (TDP)
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aufgenommen werden, kann ein Problem bei der TID im Sport sein. Um Selektionsverzerrungen aufgrund der biologischen Entwicklung auszugleichen, sollte eine von der biologischen Entwicklung unabhängige TID etabliert werden, damit talentierte Spätentwickler häufiger in Talentförderprogramme aufgenommen werden. Mit Hilfe eines randomisierten Parallelgruppendesigns wurde in dieser Studie die Wirkung der Kennzeichnung der biologischen Entwicklung von männlichen U11-Fußballspielern (n = 24, Alter = 11,0 ± 0,3 Jahre) mithilfe der Rückennummern (= Player-labelling (PL)) auf Ranglisten von Talentscouts (n = 83, Scouting-Erfahrung = 4,8 ± 2,4 Jahre) untersucht. Nach der Beobachtung von videoaufgezeichneten Selektionsturnieren stuften über die Kennzeichnung "informierte" Scouts weniger weit entwickelte Spieler in Bezug auf ihr Potential signifikant höherer ein (t(81) = 2.57, p = .012, d = −0.6, 95% CI [−1.00, −0.13]) als "nicht-informierte" Scouts. Aufgrund der geänderten Ranglisten, die weniger weit entwickelte Spieler unterstützten, könnte PL eine praktikable Strategie zur Verbesserung der TID darstellen, indem mögliche Selektionsverzerrungen aufgrund der biologischen Entwicklung beseitigt werden. Um Selektionsverzerrungen und die potenziellen positiven Auswirkungen von PL umfassender zu untersuchen, sind weitere Forschungen mit männlichen und weiblichen Athleten in verschiedenen Alterskategorien und Sportarten empfehlenswert.
Originalstudie «Scout agreement». Zuverlässige TID Prozesse sind Voraussetzungen für die genaue Auswahl junger Sportler mit dem größten Potenzial für Talentförderprogramme. Das Wissen über die Übereinstimmung zwischen den Scouts, die eine Schlüsselrolle bei der initialen TID im Fussball spielen, ist gering. Ziel der vorliegenden Studie war es daher, die Übereinstimmung innerhalb von vier Gruppen von insgesamt n = 83 Talentscouts bei der Rangbeurteilung von männlichen Jugendfußballspielern unter 11 Jahren (n = 24, Alter = 11,0 ± 0,3 Jahre) zu bewerten und die zugrunde liegende Herangehensweise der Scouts bei der Talentbewertung zu beschreiben. Krippendorffs α-Schätzungen deuteten auf Unstimmigkeiten bei den Einstufungen der Scouts innerhalb aller Scout-Gruppen hin (αA = 0.09, αB = 0.03, αC = 0.05, αD = 0.02). Die Scouts gaben an, sich bei ihrer endgültigen Einschätzung eines Spielers hauptsächlich auf ihren Gesamteindruck zu stützen. Berichte über ein konsequentes, strukturiertes Vorgehen waren weniger verbreitet. Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass unterschiedliche Herangehensweisen an die TID mit
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unterschiedlichen Auswahlentscheidungen verbunden sein können. Um Unstimmigkeiten bei der TID zu überwinden, sollten Fußballorganisationen daher einen strukturierteren Prozess einführen. Zukünftige Forschungen zur Ausarbeitung und zum Nutzen von Richtlinien, die aufgeschlüsselte und unabhängig bewertete Sub-Talentprädiktoren enthalten, werden empfohlen, um die Zuverlässigkeit der TID zu verbessern.
Originalsprache | Deutsch |
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Erscheinungsort | Köln |
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Verlag | Deutsche Sporthochschule Köln |
Seitenumfang | 95 |
Publikationsstatus | Veröffentlicht - 2023 |