Projekte pro Jahr
Abstract
Hintergrund und Zielstellung
Immer mehr Menschen erhalten bereits im erwerbsfähigen Alter eine Hüft- oder Knie-
Totalendoprothese (TEP) (Grimberg et al., 2023). Nach der Akutversorgung führen die
Patient*innen für gewöhnlich eine dreiwöchige Anschlussrehabilitation (AHB) durch. Ziel der AHB ist die Wiederherstellung bzw. Verbesserung der Funktionsfähigkeit (DRV Bund, 2017).
Zur Stabilisation der Rehabilitationseffekte können im Anschluss weitere Nachsorgeangebote wie die Intensivierte Rehabilitationsnachsorge (IRENA), die Trainingstherapeutische Rehabilitationsnachsorge (T-RENA), Rehasport oder Funktionstraining wahrgenommen werden. Vor diesem Hintergrund wird die folgende Fragestellung behandelt: Was beeinflusst die Funktionsfähigkeit im Alltag von TEP-Patient*innen drei Monate nach AHB-Beginn?
Methoden
Im rehapro Projekt „ProSEeG“ wurden von Oktober 2022 bis Oktober 2023 146 Personen (62 % männlich, 87 % > 50 Jahre alt) vor ihrer Hüft- oder Knie-TEP-Operation rekrutiert. Diese durchliefen nach der Implantation eine stationäre AHB gemäß den Reha-Therapiestandards (RTS) der DRV (DRV Bund, 2020). Einschlusskriterien waren: aktuelle Erwerbstätigkeit, erstmaliger Gelenkersatz an unteren Extremitäten aufgrund chronisch-degenerativer Gelenkveränderung, Versicherung bei der DRV Rheinland oder Rheinland-Pfalz und Erfüllung der
Voraussetzungen für eine AHB. Ausgeschlossen wurden TEP-Wechsel oder TEPs nach
akutem Trauma.
Die Patient*innen füllten vor der OP (T0), zu Beginn der AHB (T1), drei Wochen (T2) und drei Monate (T3) nach T1 Fragebögen aus. Diese beinhalteten Fragen zur Soziodemografie (T0), zur gesundheitlichen (T0-T3) und beruflichen (T0 & T3) Situation und dem Behandlungsverlauf (T0-T3). Mit dem Funktionsfragebogen Hannover für Osteoarthritis (FFbH-OA) (Kohlmann et al., 1999) wurde die Funktionsfähigkeit im Alltag (0-100 %) erhoben (T0-T3).
Mit einer multiplen Regressionsanalyse (Einschluss) wurde die Assoziation unabhängiger Variablen (UV) mit der Funktionsfähigkeit im Alltag (T3) berechnet. Dichotome UV waren Geschlecht (männlich/weiblich), Alter (über/unter 50 Jahre), Komorbidität (> 1/keine) und Teilnahme an IRENA, T-RENA und Rehasport/Funktionstraining (jeweils ja/nein). Metrische UV waren die Funktionsfähigkeit im Alltag (T0 & T2), Zufriedenheit mit der AHB und Schmerzen (T3). In die Regressionsanalyse flossen nur vollständige Datensätze (Responder) ein. Um Verzerrungen zu erkennen, wurden Unterschiede zwischen Respondern und Non-
Respondern untersucht. Das Signifikanzniveau lag bei 5 %.
Ergebnisse
Von den 146 Teilnehmenden lagen 78 vollständige Datensätze (50 %) vor (Dropout-Quote 22 %; fehlende Items bei 28 %). Hinsichtlich des Alters und der Teilnahme an IRENA und Rehasport/Funktionstraining gab es signifikante Unterschiede zwischen Respondern und Non-Respondern. Von den Respondern (60 % männlich, 94 % > 50 Jahre) erhielten 65 % eine Knie-TEP, 35 % eine Hüft-TEP. Vor der OP (T0) lag die Funktionsfähigkeit im Alltag bei durchschnittlich 60,0 ± 1,4 %, drei Wochen nach AHB-Beginn (T2) bei 62,0 ± 2,1 % und schließlich (T3) bei 72,2 ± 2,2 %.
Das Regressionsmodell zeigt eine signifikante Assoziation der UV mit der Funktionsfähigkeit im Alltag (T3) (F(10, 67) = 12,66; p < 0,001) und hat eine hohe Anpassungsgüte (R2=0,65; korrigiertes R2=0,60). Schmerzen sind negativ mit der Funktionsfähigkeit assoziiert (ß=-3,52; p < 0,001). Es gibt einen positiven Zusammenhang mit den Werten der Funktionsfähigkeit vor der OP (ß=0,32; p < 0,01) und nach der AHB (ß=0,29; p < 0,01). Das Vorliegen mindestens einer Komorbidität (ß=-11,9; p < 0,01) und die Teilnahme am Rehasport/Funktionstraining (T3) (ß=-7,61; p < 0,05) sind mit einer schlechteren Funktionsfähigkeit (T3) assoziiert.
Geschlecht, Alter, Zufriedenheit mit der AHB sowie die Teilnahme an IRENA/T-RENA sind nicht signifikant mit der Funktionsfähigkeit (T3) assoziiert.
Diskussion und Fazit
Grundsätzlich verbessert sich die Funktionsfähigkeit im Alltag nach Hüft-/ Knie-TEP und
stationärer AHB, auch wenn Schmerzen die Funktionsfähigkeit drei Monate nach AHB-Beginn
weiterhin einschränken. Da die präoperative Funktionsfähigkeit mit der Funktionsfähigkeit nach etwa drei Monaten zusammenhängt, deuten die Ergebnisse im Einklang mit der Literatur auf den potenziellen Nutzen präoperativer Vorbereitung hin (Moyer et al., 2017). Rehasport/Funktionstraining scheint eher von Patient*innen wahrgenommen zu werden, die mehr Einschränkungen in Alltagsaktivitäten haben. Um das Potenzial der verschiedenen Nachsorgeangebote besser beurteilen zu können, sind längere Beobachtungszeiträume nötig.
Take-Home-Message
Die Funktionsfähigkeit im Alltag von Hüft- und Knie-TEP-Patient*innen hängt drei Monate nach Beginn der AHB noch maßgeblich mit der präoperativen Funktionsfähigkeit und dem Bestehen von Schmerzen zusammen.
Literatur
Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund (2017): Medizinische Voraussetzungen der
Anschlussrehabilitation (AHB). AHB-Indikationskatalog. Berlin.
Deutsche Rentenversicherung Bund (2020): Reha-Therapiestandards Hüft- und Knie-TEP für
die medizinische Rehabilitation der Rentenversicherung. Berlin.
Grimberg, A., Lützner, J., Melsheimer, O., Morlock, M., Steinbrück, A. (2023): Jahresbericht 2023. Mit Sicherheit mehr Qualität. Berlin: EPRD Deutsches Endoprothesenregister.
Kohlmann T., Richter T., Heinrichs K., Peschel, U., Knahr, K., Kryspin-Exner, I. (1999):
Entwicklung und Validierung des Funktionsfragebogens Hannover für Patienten mit
Arthrosen der Hüft- und Kniegelenke (FFbH-OA). DRV Schriften, Bd 12. 40-42.
Moyer, R., Ikert, K., Long, K., Marsh, J. (2017): The value of preoperative exercise and
education for patients undergoing total hip and knee arthroplasty: a systematic review and meta-analysis. JBJS reviews, 5, 12, e2.
Immer mehr Menschen erhalten bereits im erwerbsfähigen Alter eine Hüft- oder Knie-
Totalendoprothese (TEP) (Grimberg et al., 2023). Nach der Akutversorgung führen die
Patient*innen für gewöhnlich eine dreiwöchige Anschlussrehabilitation (AHB) durch. Ziel der AHB ist die Wiederherstellung bzw. Verbesserung der Funktionsfähigkeit (DRV Bund, 2017).
Zur Stabilisation der Rehabilitationseffekte können im Anschluss weitere Nachsorgeangebote wie die Intensivierte Rehabilitationsnachsorge (IRENA), die Trainingstherapeutische Rehabilitationsnachsorge (T-RENA), Rehasport oder Funktionstraining wahrgenommen werden. Vor diesem Hintergrund wird die folgende Fragestellung behandelt: Was beeinflusst die Funktionsfähigkeit im Alltag von TEP-Patient*innen drei Monate nach AHB-Beginn?
Methoden
Im rehapro Projekt „ProSEeG“ wurden von Oktober 2022 bis Oktober 2023 146 Personen (62 % männlich, 87 % > 50 Jahre alt) vor ihrer Hüft- oder Knie-TEP-Operation rekrutiert. Diese durchliefen nach der Implantation eine stationäre AHB gemäß den Reha-Therapiestandards (RTS) der DRV (DRV Bund, 2020). Einschlusskriterien waren: aktuelle Erwerbstätigkeit, erstmaliger Gelenkersatz an unteren Extremitäten aufgrund chronisch-degenerativer Gelenkveränderung, Versicherung bei der DRV Rheinland oder Rheinland-Pfalz und Erfüllung der
Voraussetzungen für eine AHB. Ausgeschlossen wurden TEP-Wechsel oder TEPs nach
akutem Trauma.
Die Patient*innen füllten vor der OP (T0), zu Beginn der AHB (T1), drei Wochen (T2) und drei Monate (T3) nach T1 Fragebögen aus. Diese beinhalteten Fragen zur Soziodemografie (T0), zur gesundheitlichen (T0-T3) und beruflichen (T0 & T3) Situation und dem Behandlungsverlauf (T0-T3). Mit dem Funktionsfragebogen Hannover für Osteoarthritis (FFbH-OA) (Kohlmann et al., 1999) wurde die Funktionsfähigkeit im Alltag (0-100 %) erhoben (T0-T3).
Mit einer multiplen Regressionsanalyse (Einschluss) wurde die Assoziation unabhängiger Variablen (UV) mit der Funktionsfähigkeit im Alltag (T3) berechnet. Dichotome UV waren Geschlecht (männlich/weiblich), Alter (über/unter 50 Jahre), Komorbidität (> 1/keine) und Teilnahme an IRENA, T-RENA und Rehasport/Funktionstraining (jeweils ja/nein). Metrische UV waren die Funktionsfähigkeit im Alltag (T0 & T2), Zufriedenheit mit der AHB und Schmerzen (T3). In die Regressionsanalyse flossen nur vollständige Datensätze (Responder) ein. Um Verzerrungen zu erkennen, wurden Unterschiede zwischen Respondern und Non-
Respondern untersucht. Das Signifikanzniveau lag bei 5 %.
Ergebnisse
Von den 146 Teilnehmenden lagen 78 vollständige Datensätze (50 %) vor (Dropout-Quote 22 %; fehlende Items bei 28 %). Hinsichtlich des Alters und der Teilnahme an IRENA und Rehasport/Funktionstraining gab es signifikante Unterschiede zwischen Respondern und Non-Respondern. Von den Respondern (60 % männlich, 94 % > 50 Jahre) erhielten 65 % eine Knie-TEP, 35 % eine Hüft-TEP. Vor der OP (T0) lag die Funktionsfähigkeit im Alltag bei durchschnittlich 60,0 ± 1,4 %, drei Wochen nach AHB-Beginn (T2) bei 62,0 ± 2,1 % und schließlich (T3) bei 72,2 ± 2,2 %.
Das Regressionsmodell zeigt eine signifikante Assoziation der UV mit der Funktionsfähigkeit im Alltag (T3) (F(10, 67) = 12,66; p < 0,001) und hat eine hohe Anpassungsgüte (R2=0,65; korrigiertes R2=0,60). Schmerzen sind negativ mit der Funktionsfähigkeit assoziiert (ß=-3,52; p < 0,001). Es gibt einen positiven Zusammenhang mit den Werten der Funktionsfähigkeit vor der OP (ß=0,32; p < 0,01) und nach der AHB (ß=0,29; p < 0,01). Das Vorliegen mindestens einer Komorbidität (ß=-11,9; p < 0,01) und die Teilnahme am Rehasport/Funktionstraining (T3) (ß=-7,61; p < 0,05) sind mit einer schlechteren Funktionsfähigkeit (T3) assoziiert.
Geschlecht, Alter, Zufriedenheit mit der AHB sowie die Teilnahme an IRENA/T-RENA sind nicht signifikant mit der Funktionsfähigkeit (T3) assoziiert.
Diskussion und Fazit
Grundsätzlich verbessert sich die Funktionsfähigkeit im Alltag nach Hüft-/ Knie-TEP und
stationärer AHB, auch wenn Schmerzen die Funktionsfähigkeit drei Monate nach AHB-Beginn
weiterhin einschränken. Da die präoperative Funktionsfähigkeit mit der Funktionsfähigkeit nach etwa drei Monaten zusammenhängt, deuten die Ergebnisse im Einklang mit der Literatur auf den potenziellen Nutzen präoperativer Vorbereitung hin (Moyer et al., 2017). Rehasport/Funktionstraining scheint eher von Patient*innen wahrgenommen zu werden, die mehr Einschränkungen in Alltagsaktivitäten haben. Um das Potenzial der verschiedenen Nachsorgeangebote besser beurteilen zu können, sind längere Beobachtungszeiträume nötig.
Take-Home-Message
Die Funktionsfähigkeit im Alltag von Hüft- und Knie-TEP-Patient*innen hängt drei Monate nach Beginn der AHB noch maßgeblich mit der präoperativen Funktionsfähigkeit und dem Bestehen von Schmerzen zusammen.
Literatur
Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund (2017): Medizinische Voraussetzungen der
Anschlussrehabilitation (AHB). AHB-Indikationskatalog. Berlin.
Deutsche Rentenversicherung Bund (2020): Reha-Therapiestandards Hüft- und Knie-TEP für
die medizinische Rehabilitation der Rentenversicherung. Berlin.
Grimberg, A., Lützner, J., Melsheimer, O., Morlock, M., Steinbrück, A. (2023): Jahresbericht 2023. Mit Sicherheit mehr Qualität. Berlin: EPRD Deutsches Endoprothesenregister.
Kohlmann T., Richter T., Heinrichs K., Peschel, U., Knahr, K., Kryspin-Exner, I. (1999):
Entwicklung und Validierung des Funktionsfragebogens Hannover für Patienten mit
Arthrosen der Hüft- und Kniegelenke (FFbH-OA). DRV Schriften, Bd 12. 40-42.
Moyer, R., Ikert, K., Long, K., Marsh, J. (2017): The value of preoperative exercise and
education for patients undergoing total hip and knee arthroplasty: a systematic review and meta-analysis. JBJS reviews, 5, 12, e2.
Originalsprache | Deutsch |
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Titel | 34. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium : Deutscher Kongress für Rehabilitationsforschung Mensch trifft Maschine - digitale Chancen in Prävention und Rehabilitation nutzen vom 18. bis 20. März 2025 in Nürnberg |
Seitenumfang | 3 |
Herausgeber (Verlag) | Deutsche Rentenversicherung Bund |
Erscheinungsdatum | 2025 |
Seiten | 206-208 |
ISBN (Print) | 978-3-947949-27-4 |
Publikationsstatus | Veröffentlicht - 2025 |
Projekte
- 1 Laufend
-
ProSEeG: Innovative Prozesskette zur Sicherung der Erwerbsfähigkeit nach endoprothetischem Gelenkersatz
01.11.21 → 31.10.26
Projekt: Finanziert durch Drittmittel