Wirksamkeit von körperlichem Training bei einer Tumorkachexie

Publikation: Buch/BerichtDissertationsschrift

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Abstract

Hintergrund: Die Anzahl der weltweiten Neudiagnosen von Krebserkrankungen steigt stetig an. Mit einer Prävalenz von bis zu 50 % ist die Tumorkachexie ist eine häufige Nebenwirkung einer Krebserkrankung und äußert sich als eine systemische, metabolische Dysfunktion mit einem progressiven Gewichts- und Muskelmassenverlust. Sie ist assoziiert mit einer reduzierten Lebensqualität, Therapietoleranz und Prognosen der Patient:innen. Bisher existieren nur wenige erfolgsversprechende Therapieansätze gegen eine Tumorkachexie. Körperliches Training wird als ein potenter Ansatz zur Vorbeugung und Behandlung einer Tumorkachexie diskutiert, jedoch mangelt es bisher an Evidenzen zur Machbarkeit und Effektivität von Trainingsinterventionen mit kachektischen Krebspatient:innen. Ziel dieser Arbeit ist daher zu untersuchen, ob Trainingsinterventionen mit Patient:innen unter Risiko oder bei bestehender Tumorkachexie sicher machbar sind und einer Tumorkachexie effektiv entgegenwirken können. Darüber sollen Empfehlungen zu Trainingsform und -intensitäten gewonnen werden. Zudem soll die Rolle der körperlichen Leistungsfähigkeit als prognostischer Faktor für eine Kachexie untersucht werden. Zuletzt, sollen im Sinne der Translation erhoben werden, ob Krebspatient:innen in einer trainingstherapeutischen Regelversorgung diese Trainingsempfehlungen erreichen können. Methoden: In einer Einzelfallstudie wurde geprüft, ob ein metastasierter Bauchspeicheldrüsenkrebspatient unter palliativer Chemotherapie als Hochrisikopatient für eine Tumorkachexie eine intensive Krafttrainingsintervention durchführen kann. Durch eine systematische Übersichtsarbeit wurde zudem erhoben, ob und welche Trainingsinterventionen mit fortgeschrittenen und metastasierten Tumorpatient:innen als Risikokollektiv für eine Tumorkachexie sicher umsetzbar waren. Zudem erfolgte eine Übersichtsarbeit zu Krafttrainingsinterventionen mit Brustkrebspatientinnen mit dem Ziel mehr Einblicke in verschiedene Belastungsformen und -intensitäten des Krafttrainings zu erlangen, was in der Literatur als die vielversprechendste Trainingsform gegen eine Tumorkachexie diskutiert wird. Des Weiteren, wurde in einer Meta-Analyse die bestehenden Evidenzen eruiert, welche Trainingsformen und -intensitäten bei einer manifesten Tumorkachexie machbar und effektiv gegen den vorherrschenden Massenverlust sind. In einer Kohorten Studie wurde untersucht, ob Zusammenhänge zwischen der prä-operativen körperlichen Ausdauerleistungsfähigkeit und dem post-operativen Genesungs- und Gewichtsverlauf von Patient:innen mit Speiseröhren- oder
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Magentumoren existieren. Und zuletzt, wurde in einer großen Kohorten Studie mit real-world Daten geprüft, ob Krebspatient:innen in einer trainingstherapeutischen Regelversorgung ein regelmäßiges körperliches Training umsetzten können, welche Patient:innen an einer Trainingsintervention teilnehmen und ob das körperliche Training Auswirkung auf die körperliche Leistungsfähigkeit und patienten-berichtete Endpunkte zeigt. Ergebnisse: Basierend auf den Ergebnisse der Meta-Analyse, zeigt sich weiterhin eine sehr limitierte, auf Grundlagenmodelle beruhende Evidenz zu körperlichem Training bei einer bestehenden Tumorkachexie, worauf keine klare evidenzbasierte Empfehlung für ein körperliches Training bei Patient:innen abgeleitet werden kann. Für Patient:innen unter kachexie-assoziierten Krebserkrankungen zeigten sowohl die Einzelfallstudie als auch die Übersichtsarbeiten zu den fortgeschrittenen, metastasierten Krebspatient:innen und den Brustkrebspatientinnen, dass ein (hoch-) intensives Krafttraining oder kombiniertes Kraft- und Ausdauertraining sicher machbar waren. Zudem legten diese Studien nahe, dass die Trainingsinterventionen zu einer Verbesserung der körperlicheren Leistungsfähigkeit der Patient:innen führen können. Die Effekte der Trainingsinterventionen auf den Gewichtsverlauf zeigten sich als nicht eindeutig, deuten aber eine mögliche Wirksamkeit eines körperlichen Trainings an. Sowohl die Meta-Analyse als auch die Ergebnisse der Kohorten Studie suggerieren einen präventiven Effekt von körperlicher Ausdauerleistungsfähigkeit auf den progressiven Körpergewichtsverlust. Die real-World Daten aus der großen Kohorten Studie konnten aufzeigen, dass Patient:innen in Trainingsinterventionen der Regelversorgungen seltener trainierten als in Leitlinien empfohlen, jedoch die Trainingseffekte bei regelmäßigerem Training größer waren. Schlussfolgerungen: Diese Arbeit zeigt eine weiterhin sehr limitierte Evidenz zu der Fragestellung, ob ein körperliches Training für Krebspatienten machbar und effektiv gegen eine manifeste oder drohende Tumorkachexie sein kann. Für Risikokollektive einer Tumorkachexie kann ein körperliches Training sicher umgesetzt werden und zeigt positive Effekte auf die körperliche Leistungsfähigkeit. Hierbei werden insbesondere das intensive Krafttraining oder kombinierte Kraft- und Ausdauertraining als Methoden empfohlen. Erste Studien suggerieren auch mögliche positive Effekte dieser Trainingsformen auf Körpergewicht und Muskelmasse, jedoch begrenzt sich die Evidenz hierzu bisher auf vereinzelte Studien. Erste Daten zur Machbarkeit demonstrieren zudem potenzielle neue Ansätze zu intensiveren Krafttrainingsmethoden wie einer exzentrischen Überlast als Trainingsmethoden zur
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Vorbeugung einer Tumorkachexie. Für Patient:innen unter einer bestehenden Tumorkachexie kann aktuell keine evidenzbasierte Empfehlung für oder gegen ein körperliches Training getroffen werden. Allerdings gewähren einzelne, randomisiert-kontrollierte Studien sowie Daten der Grundlagenforschung erste Eindrücke, dass auch unter einer manifesten Tumorkachexie körperliches Training machbar ist und positive Effekte auf die körperliche Leistungsfähigkeit und Muskelmasse möglich sein können. Für konkrete Empfehlungen bedarf es hierzu jedoch mehr Evidenz aus hochwertigen Studiendesigns oder mit höhere Fallzahlen. Des Weiteren konnten erste Studien aufzeigen, dass die körperliche Leistungsfähigkeit möglicherweise einen präventiven Effekt auf den Körpermassenverlust und damit der Kachexie Entstehung oder den Progress nehmen kann. Diese Beobachtung sollte zukünftig durch größere Untersuchungen wie Registerstudien mit Patientenkollektiven unter hohem Risiko einer Tumorkachexie geprüft werden und ggf. die körperliche Leistungsfähigkeit als Risikoscreening einer Tumorkachexie diskutieren. Zuletzt konnte die real-world Daten der Kohorten Studie aufzeigen, dass ein körperliches Training in der Regelversorgung von Krebspatienten weniger wahrgenommen wurde als in Leitlinien empfohlen, was wiederum die Effekte des Trainings reduzierte. Für eine bessere Translation dieser Ergebnisse in die Patientenversorgung, sollten daher Trainingsformen und –formate gefunden werden, welche auch für kachektische oder kachexie-assoziierte Krebspatient:innen regelmäßig machbar und effektiv sind.
OriginalspracheDeutsch
ErscheinungsortKöln
VerlagDeutsche Sporthochschule Köln
Seitenumfang53
PublikationsstatusVeröffentlicht - 2024

Zitation