Lauft los – so gelingt der sportliche Wiedereinstieg im Frühling

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Die Kraft des Frühlings bringt nach den kalten Monaten bei vielen Menschen die Lust an der Bewegung zurück. Ein Experte der Deutschen Sporthochschule in Köln erklärt, was Laufanfänger und auch Geübte beim Neu- und Wiedereinstieg ins Training beachten müssen – und wie man es schon nach zwei Monaten schaffen kann, einen 5000-Meter-Lauf zu meistern.

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Der Start ist das Ziel

Über seine Liebe zum Laufen hat George Sheehan einen wichtigen Satz hinterlegt: „Beim Laufen finden wir zu der Persönlichkeit, die wir sein wollen.“ Der US-amerikanische Arzt hat es in der Szene zu einiger Berühmtheit gebracht. Nicht nur, weil er selbst Tausende Kilometer in Turnschuhen abspulte, sondern seine Erfahrungen zwischen zwei Buchdeckel gepackt hat. „Running & Being: The Total Experience“, nannte der Kardiologe sein Werk, das es 1978 auf die Bestsellerliste der New York Times schaffte. Zu Deutsch: „Laufen & Sein. Die totale Erfahrung“.

Sätze wie die von George Sheehan zeigen, dass Laufen für viele Menschen mehr ist als nur eine körperliche Ertüchtigung. Es ist eine Erfahrung mit sich selbst, es schult die Fähigkeit, Widerstände zu überwinden. Von einem anderen Läufer ist das Zitat überliefert: „Laufen ist der klassische Weg zu Selbstbewusstsein, Selbstachtung und Eigenverantwortlichkeit.“

Wer solche Erfahrungen sammeln möchte, muss allerdings überhaupt erst anfangen, sich die Trainingskleidung überzustreifen und die Laufschuhe zu schnüren. Schon hier droht das erste Scheitern. Auch dazu gibt es einen passenden Satz, den der Kölner Mediziner Gerhard Uhlenbruck formuliert hat: „Für viele ist erst mal der Start das Ziel.“ Die Bewegungsstudie der Techniker Krankenkasse aus dem Jahr 2022 zeigt, dass sich ein Viertel der Menschen während der Corona-Pandemie vor allem bedingt durch vermehrtes Homeoffice weniger bewegt hat als zuvor. Die zwei am häufigsten genannten Ausreden: Genügend Bewegung in Job und Alltag und fehlende Motivation.

Motivation definieren

„Corona hat in Bezug auf Sport und Bewegung stark polarisiert“, bestätigt Dr. Oliver Quittmann vom Institut für Bewegungs- und Neurowissenschaft an der Deutschen Sporthochschule in Köln. „Aktive Menschen sind in dieser Zeit noch aktiver geworden, Passive eher noch passiver.“ Dennoch habe er wahrgenommen, dass während der Pandemie eher mehr Menschen die Laufschuhe geschnürt hätten. „Dass die Deutschen zu Laufmuffeln werden, steht nicht zu befürchten.“

Wer nach einem kalorienreichen und bequemen Winter wieder zurückfinden oder erst beginnen will, in Parks oder Wäldern ein paar Runden zu drehen, sollte zunächst einmal für sich klären, wofür genau man sich quälen will. „Die Grundmotivation ist die Zielsetzung“, sagt Oliver Quittmann vom Institut für Bewegungs- und Neurowissenschaft an der Deutschen Sporthochschule in Köln. Gängige Gründe sind etwa das Abnehmen, das Vorbeugen gegen Krankheiten oder auch eine ästhetischere Erscheinung.

Als Hilfe bei der Motivationssuche und der Umsetzbarkeit dient die sogenannte S.M.A.R.T-Formel: Spezifisch, messbar, akzeptiert, realisierbar, terminiert. Kurzum: Nicht einfach mit dem Training beginnen, empfiehlt Quittmann, sondern einen Plan machen. Was und wann kann ich trainieren? Wie viel ist realistisch? Was kann ich mir zumuten? In manchen Fällen sei es ratsam, sich einen Termin für einen Laufwettbewerb auszusuchen und darauf hinzuarbeiten. Gerade ambitionierte Laufanfänger:innen seien eher erfolgreich, wenn sie auf einen bestimmten Wettkampf hintrainieren. 

Langsam starten

Besonders wichtig ist zweifellos die Realisierbarkeit. „Es hat wenig Sinn, sich Ziele zu stecken, die kaum zu erreichen sind“, sagt Quittmann. Wer zuvor kaum oder gar nicht trainiert hat, sollte sich nicht vornehmen, das ab jetzt täglich zu tun und zugleich nur noch Salat essen zu wollen. „So etwas ist häufig zu beobachten. Aber diese Vorhaben sind so gut wie immer zum Scheitern verurteilt, weil man sich damit nur selbst überfordert. Die Motivation rauscht schnell in den Keller“, so Quittmann.

Die Lösung lautet daher: „Weniger ist mehr.“ Auch das eigene Fitnesslevel sollte realistisch eingeschätzt werden. Bringt der eigene Körper Lauferfahrung mit? Bin oder war ich bis vor kurzem noch Raucher? Habe ich gerade eine Schwangerschaft hinter mir? Die gute Nachricht ist: Schon wer wenig trainiert, wird schnelle Fortschritte machen und sich fitter fühlen.

Im Gegensatz zum Radfahren oder Rudern beansprucht das Laufen auch und gerade den passiven Bewegungsapparat. Also nicht nur die Muskeln, sondern auch Bänder, Sehnen, Knorpel und Knochen. Auch hier gilt laut Quittmann, dem Körper die Zeit zu gönnen, sich der Belastung anzupassen. Menschen mit starkem Übergewicht rät der Experte zunächst vom Laufen ab. Hier sei das Radfahren die deutlich schonendere und somit bessere Variante für den Trainingseinstieg.

Aufbau der Trainingseinheiten

Menschen mit eher niedrigem Fitnesslevel sollten mit ein bis zwei Einheiten pro Woche beginnen. Ein guter Einstieg sei ein etwa 30-minütiger Spaziergang mit kurzen Laufintervallen: Zehn Minuten gehen, zwei Minuten lockeres Traben. Die Laufabschnitte können nach und nach gesteigert werden, bis man irgendwann selbst feststellt, dass es kaum Mühe bereitet, eine halbe Stunde ohne Pause durchzulaufen, erklärt Quittmann.

Wer das geschafft hat, kann die nächste Stufe zünden: Die Einheiten allmählich zuerst auf 35, dann auf 40 Minuten steigern, bis hin zu einer Stunde. Auch die Zahl der Laufeinheiten pro Woche kann dann von zwei auf drei oder sogar vier erhöht werden. Aber nicht vergessen: Die Motivation sollte unter dem Mehraufwand nicht leiden.

Da der Körper Regeneration braucht, sollte man anfangs nicht an zwei aufeinanderfolgenden Tagen trainieren, sondern jeweils zwei Tage Pause einlegen. Dasselbe gilt im Fall eines Muskelkaters. Auch hier sollte der nächste Tag trainingsfrei bleiben, damit sich die gestresste Muskulatur erholen kann.

Mythos Fettverbrennung

Zu den gängigsten Erzählungen im Ausdauersport gehört, dass der Körper erst ab 30 Minuten Bewegung mit der Fettverbrennung beginnt. „Das ist ein Mythos“, sagt Quittmann. „Erstens verbrennen wir nichts in der Muskulatur, sondern erzeugen Wasser in den Mitochondrien. Und zweitens beginnt der Fettstoffwechsel sofort.“ Richtig aber sei auch: Je länger man läuft, desto mehr greift der Körper auf Fettsäuren zurück.

Nächste Etappe: Intervalltraining

Ist die erste Trainingshürde genommen und man schafft es, ohne großes Schnaufen 40 Minuten und länger durchzulaufen, ist es an der Zeit, die Ansprüche etwas nach oben zu schrauben. Das Mittel dafür ist das Intervalltraining, das man zusätzlich zu den übrigen Einheiten einmal wöchentlich einstreuen sollte. Ziel dieser Methode sei eine hohe gleichbleibende Intensität, die über die Herzfrequenz gesteuert wird, sagt Quittmann. Für die ideale Planung eines Intervalltrainings sei es daher wichtig, die eigene maximale Herzfrequenz zu kennen.

Die gängige Formel 220 abzüglich des Lebensalters tauge für die Bestimmung allerdings nicht, warnt Quittmann. Ratsam sei eine Leistungsdiagnostik etwa beim Hausarzt oder die selbstständige Bestimmung mit Herzfrequenzmessung im Training.   

Auch beim Intervalltraining gibt es einen Aufbau, der das Fitnesslevel berücksichtigt. Einsteiger sollten mit einem Verhältnis von 1:2 beginnen. Heißt: Die Pausen sind doppelt so lang wie die Belastung, wobei Pause machen nicht mit Stehenbleiben zu verwechseln ist. Fortgeschrittene gehen auf ein Verhältnis von 1:1 und dann auf 2:1 über.

Ein guter Start für Anfänger laut Quittmann: Zwei Minuten intensiv laufen mit einer Herzfrequenz von über 90 Prozent, vier Minuten locker joggen mit 75 Prozent der maximalen Herzfrequenz. Pro Trainingseinheit sollte man mit etwa vier bis fünf Intervallen planen.

Es gebe gerade bei Freizeitläufer:innen eine Tendenz zur Mitte, bei der sich Be- und Entlastungsphasen kaum voneinander unterscheiden ließen, sagt Quittmann. „Das aber bringt nicht viel. Wer sich entwickeln will, braucht sowohl geringe als auch hohe Intensitäten. Die Mischung ist entscheidend.“

Ausrüstung und Ernährung

Das Wichtigste für ein gutes und gesundes Laufgefühl sind die Schuhe. Quittmann rät, sich gleich zwei Paar anzuschaffen und sie im Wechsel zu tragen. Hilfreich für eine verlässliche Messung der Herzfrequenz sei zudem ein Gadget-Paket aus Uhr und Brustgurt, das auch Zeiten und Distanzen speichert, die sich dann auch beispielsweise in den sozialen Medien teilen lassen. „Manchen Menschen hilft es, ihre Erfolge sichtbar zu machen und sich mit anderen Läufer:innen zu vergleichen“, sagt der Laufexperte. Auch Handy-Apps mit Belohnungssystemen könnten einen zusätzlichen Trainingsanreiz bieten.

Die richtigen Lebensmittel sind ein wichtiger Baustein für ein erfolgreiches Training. Aber auch gibt Quittmann die Warnung aus, Gewohnheiten nicht über Nacht umzustellen, sondern in kleinen Schritten zu denken. Anfangs sei es schon ausreichend, auf Schokoriegel oder die Tüte Chips am Abend zu verzichten. „Das Bedürfnis, gesünder zu leben, kommt beim Sportmachen meist von selbst.“

Ziel erreicht

Mit etwas Disziplin und Ehrgeiz sei es auch weniger Lauferfahrenen möglich, nach einem nur zweimonatigen Training einen 5000-Meter-Lauf durchzustehen, sagt Quittmann. Hat man das geschafft, kann man sich neue Ziele setzen. Glaubt man der tschechoslowakischen Lauflegende Emil Zatopek, können sich dabei ganz neue Horizonte öffnen. „Wenn du laufen willst, lauf eine Meile, wenn du eine andere Welt kennenlernen willst, lauf einen Marathon.“

Tröstlich für alle Neueinsteiger dürfte sein, dass auch der dreifache Olympiasieger von Helsinki 1952 anfangs nicht viel vom Laufen hielt. Weil er keine Lust hatte, versuchte der angehende Schuhmacher vor einem verpflichtenden Betriebslauf über 1400 Meter eine Knieverletzung zu simulieren. Der Arbeitgeber glaubte ihm nicht. Zatopek musste antreten und wurde Zweiter. Als Preis erhielt er einen Füllfederhalter.

Period03.04.2023

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