TY - BOOK
T1 - Ausgewählte Einflussfaktoren für die Entstehung von Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendalter - Ansätze für die Prävention
T2 - Analyse ausgewählter (ambulanter) Programme aus dem Raum NRW
AU - Eble, Susanne
PY - 2018
Y1 - 2018
N2 - Hintergrund: Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen bewegt sich in Deutschland mit ca. 15 Prozent auf einem hohen Niveau. Obwohl seit ca. seit 2004 ein Plateau dokumentiert ist, kann deshalb nicht von Entwarnung gesprochen werden, zumal bei den gefährdeten Zielgruppen weiterhin ein Anstieg zu verzeichnen ist.
Übergewicht und Adipositas können bereits im jugendlichen Alter zu schwerwiegen- den Begleit- und Folgeerkrankungen führen. Zudem bleiben viele adipöse Kinder auch als Erwachsene adipös, wobei die damit verbundenen gesundheitlichen Risiken mit steigendem Alter weiter zunehmen. Für die Betroffenen stellen Übergewicht und Adipositas somit ein ernst zu nehmendes Problem dar. Darüber hinaus verursachen die Begleit- und Folgeerkrankungen erhebliche Kosten im Gesundheitssystem.
Als Ursachen spielen, neben einer genetischen Disposition und soziodemographi- schen Faktoren, Fehlernährung und Bewegungsmangel eine entscheidende Rolle. Aus Übergewicht und Bewegungsmangel resultieren überdies motorische Defizite, die wiederum Frust und weitere körperliche Inaktivität begünstigen und in einen Teu- felskreis münden.
Um der Verbreitung von Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendalter entgegenzuwirken, werden bundesweit zahlreiche Präventionsmaßnahmen umge- setzt. Evaluierte und publizierte Präventionsprogramme weisen teilweise zwar positi- ve Effekte auf ernährungsbezogene Outcomes und das Bewegungsverhalten auf, jedoch kaum Effekte auf anthropometrische Maße. Die wenigen Erfolge sind meist nicht nachhaltig. Gerade die ersten Lebensjahre spielen in der Prävention von Über- gewicht und Adipositas eine zentrale Rolle, da in dieser Zeit bedeutende Risikofakto- ren geprägt werden und zahlreiche Risikofaktoren ausschließlich in dieser Lebens- phase vermieden werden können.
Methodik: Analysiert wurden Daten aus zehn ambulanten Präventions- und Inter- ventionsprogrammen, die unter der Federführung der Sporthochschule Köln durch- geführt wurden, sowie aus zwei weiteren Datenerhebungen. Insgesamt lagen ca. 13.000 Datensätze vor. Neben den Einflussfaktoren auf den BMI (BMI-SDS) wurden Einflussfaktoren auf die motorische Leistungsfähigkeit jeweils im Quer- und Längs-
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schnitt untersucht.
Ergebnisse: Als Einfluss auf den Status quo des BMI/BMI-SDS zeigten sich die in der Literatur beschriebenen Determinanten, wie der Migrationshintergrund und das Gewicht der Eltern, besonders das der Mutter, sehr deutlich. Der Einfluss des SES, der Mediennutzungszeiten sowie der körperlichen Aktivität war eher heterogen, wo- bei die Literatur zu letzteren beiden ebenfalls sehr divergent ist. Meist werden diese Divergenzen methodisch begründet. Den stärksten Einfluss auf die motorische Leis- tungsfähigkeit, die als Marker für die körperliche Fitness gilt, hatte wiederum das Gewicht. Dies macht deutlich, dass die Determinanten sich wechselseitig beeinflus- sen, was wiederum eine eindeutige Zuordnung von Ursachen und Wirkungen er- schwert. Während der Einfluss eines bestehenden Übergewichts oder gar einer Adi- positas auf die motorische Leistungsfähigkeit im Vorschulalter noch nicht so ausge- prägt ist, zeigten die Daten, dass dieser mit zunehmendem Alter im Sinne eines Schereneffektes immer stärker wird.
In den Verlaufsdaten der Kölner Programme konnten die Kinder im Vorschulalter (Ball & Birne, Kita fit und KiMo) in den Interventionsgruppen das Gewicht halten, während es in den Kontrollgruppen signifikant anstieg. In den Interventionen für das Grundschulalter (CHILT I, Gesundheit macht Schule, StEP TWO, FOG) war der pro- zentuale Gewichtszuwachs signifikant geringer als in den Kontrollgruppen. Das ist deshalb besonders hervorzuheben, da sich in der Literatur kaum Interventionen mit einem (positiven) Einfluss auf die anthropometrischen Daten finden. Die Entwicklung der motorischen Leistungsfähigkeit korrelierte im Untersuchungszeitraum wiederum sehr deutlich mit dem Gewicht, d. h., je übergewichtiger die Kinder waren, desto schlechter war deren motorische Entwicklung im untersuchten Zeitraum. Im jeweili- gen Untersuchungszeitraum konnten alle Kinder ihre motorische Leistungsfähigkeit verbessern, aber mit signifikant besseren Ergebnissen in den meisten Interventions- gruppen. Hier profitierten besonders die übergewichtigen und adipösen Kinder – und diese wiederum, je jünger sie waren. So konnten die Kinder aus den Kindergarten- programmen ihre motorischen Defizite binnen kurzer Zeit ausgleichen. Selbst bereits adipöse Kinder, die deutlich schlechter abschnitten als ihre normalgewichtigen Al- tersgenossen, schafften es innerhalb der halbjährigen Intervention fast, zu diesen aufzuschließen. Je älter die Kinder waren, desto schwieriger war es für sie, ihre mo- torischen Defizite gegenüber ihren normalgewichtigen Altersgenossen auszuglei-
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chen, womit sich der ohnehin bestehende Schereneffekt im weiteren Verlauf über- proportional vergrößerte.
Diskussion: Die untersuchten Programme der Sporthochschule Köln belegten den positiven Effekt körperlicher Aktivität sehr deutlich, woraus sich maßgebliche Hinwei- se für die Ausgestaltung von Präventionsprogrammen ergeben: Bewegungsmangel ist eine der Hauptursachen für Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendal- ter und führt in der Folge zu motorischen Defiziten. Beides begünstigt wiederum ei- nen Bewegungsmangel und mündet in einen Teufelskreis, den es zu verhindern oder so früh wie möglich zu durchbrechen gilt. Dass ein frühes Intervenieren sich lohnt, zeigen besonders die Ergebnisse der Vorschulkinder.
Damit Prävention wirken kann, bevor Übergewicht entsteht, ist unbedingt auch das Lebensumfeld der Kinder in den Fokus zu nehmen. In erster Linie müssen die Eltern sich ihrer Verantwortung bewusst werden, z. B. hinsichtlich der epigenetischen Prä- gung und ihrer Vorbildfunktion. Zum einen kann mit einer frühen Ansprache durch den Hausarzt und/oder Gynäkologen schon zum Zeitpunkt der Familienplanung eine Gewichtsreduktion bei den Müttern erfolgen. Zum anderen sind im Sinne eines mul- timodalen Ansatzes die Eltern in die Programme zu involvieren. Familien mit Migrati- onshintergrund bedürfen einer kultursensiblen Ansprache, um ihnen den Zugang zu Präventivmaßnahmen zu erleichtern.
Der Lebensstil der Kinder wird früh geprägt, womit sich für die Prävention gleicher- maßen Verpflichtungen und Chancen ergeben. Werden Elemente wie gesunde Er- nährung und körperliche Aktivität bzw. Reduzierung der Sitzzeiten früh in das Leben der Kinder implementiert, besteht eine große Chance, dass dieses Verhalten beibe- halten wird. Hierzu eignen sich universelle Präventivmaßnahmen, wie die untersuch- ten Kölner Programme, die vor allem deshalb in Kindergärten und spätestens Grund- schulen stattgefunden haben, da die Kinder dort sehr früh erreicht und alle sozialen Schichten angesprochen werden können. Hier hat sich die körperliche Aktivität als ein erfolgreicher Baustein herausgestellt, da die Anleitungen gezielt und unter Feder- führung geschulter Übungsleiter stattgefunden haben. Die Übungsleiter waren in der Lage, den Kindern Erfolg und somit Spaß an ihrer motorischen Leistungsfähigkeit zu vermitteln, was für die Nachhaltigkeit elementar ist. Eine einfache Erhöhung der kör- perlichen Aktivität von ca. einer Stunde wöchentlich zeigte hingegen keine Erfolge. Ziel muss es also sein, die körperliche Aktivität bei Kindern und Jugendlichen im All-
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tag zu steigern. Hierzu eignet sich eine deutliche Erhöhung der angeleiteten Bewe- gungseinheiten, z. B. im Kindergarten und im Rahmen des Schulsports. Außerdem sollte eine Steigerung der Alltagsbewegung angestrebt werden. Die Mitgliedschaft in Vereinen zeigte sich in den Untersuchungen als weiterer positiver Einflussfaktor auf das Gewicht der Kinder. Vor diesem Hintergrund ist die Kooperation von Kindergär- ten und Schulen mit Vereinen zu empfehlen.
Da ein verändertes Lebensumfeld die Entstehung von Übergewicht und Adipositas begünstigt, sind zudem verhältnispräventive Maßnahmen erforderlich. Das bedeutet, dass die Politik auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene mit in die Verantwor- tung genommen werden muss.
Limitierungen: Die Entstehung der kindlichen Adipositas ist komplex und viele (wich- tige) Determinanten konnten nicht in die Analysen einfließen, da sie nicht in allen Programmen gleichermaßen erhoben wurden (z. B. Ernährung, Körperfettanteil) oder die Ergebnisse in unterschiedlichen Formaten vorlagen (z. B. Intensität der sportli- chen Aktivität). Die Komplexität und vor allem das Wechselspiel der Determinanten in einem Zusammenhang zu erfassen, ist nach wie vor schwierig und wird auch für künftige Forschungsbestrebungen eine der größten Herausforderung bleiben.
Fazit: Trotz der vielen durchgeführten Präventionsprogramme fehlt es noch an guten Evaluationen und aussagekräftigen Studien. Neben fehlender Standards ist die unzu- reichende Studienlage auch in der Komplexität und im Zusammenspiel der Determi- nanten begründet, die Übergewicht und Adipositas verursachen und begünstigen. Darüber hinaus muss hinterfragt werden, ob die Reduktion des BMI/BMI-SDS der richtige Outcome-Parameter für die Erfolgsmessung zukünftiger Präventionspro- gramme ist oder ob die Körperzusammensetzung (Körperfettanteil) mehr in den Fo- kus rücken müsste. Der Nutzen von Prävention an sich ist unbestritten und die vor- liegenden Daten zeigen nennenswerte Erfolge, vor allem, wenn die Kinder früh und gezielt zur körperlichen Aktivität angeleitet werden. Mit jedem Jahr, in dem keine Präventionsmaßnahme erfolgt, schwindet die Chance für die gefährdeten Kinder, gesund älter zu werden. Denn ist Übergewicht oder gar eine Adipositas erst einmal entstanden, ist es für ältere Kinder und Jugendlichen nahezu unmöglich, wieder dau- erhaft normalgewichtig zu werden – auch das haben die Studien eindrucksvoll ge- zeigt.
AB - Hintergrund: Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen bewegt sich in Deutschland mit ca. 15 Prozent auf einem hohen Niveau. Obwohl seit ca. seit 2004 ein Plateau dokumentiert ist, kann deshalb nicht von Entwarnung gesprochen werden, zumal bei den gefährdeten Zielgruppen weiterhin ein Anstieg zu verzeichnen ist.
Übergewicht und Adipositas können bereits im jugendlichen Alter zu schwerwiegen- den Begleit- und Folgeerkrankungen führen. Zudem bleiben viele adipöse Kinder auch als Erwachsene adipös, wobei die damit verbundenen gesundheitlichen Risiken mit steigendem Alter weiter zunehmen. Für die Betroffenen stellen Übergewicht und Adipositas somit ein ernst zu nehmendes Problem dar. Darüber hinaus verursachen die Begleit- und Folgeerkrankungen erhebliche Kosten im Gesundheitssystem.
Als Ursachen spielen, neben einer genetischen Disposition und soziodemographi- schen Faktoren, Fehlernährung und Bewegungsmangel eine entscheidende Rolle. Aus Übergewicht und Bewegungsmangel resultieren überdies motorische Defizite, die wiederum Frust und weitere körperliche Inaktivität begünstigen und in einen Teu- felskreis münden.
Um der Verbreitung von Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendalter entgegenzuwirken, werden bundesweit zahlreiche Präventionsmaßnahmen umge- setzt. Evaluierte und publizierte Präventionsprogramme weisen teilweise zwar positi- ve Effekte auf ernährungsbezogene Outcomes und das Bewegungsverhalten auf, jedoch kaum Effekte auf anthropometrische Maße. Die wenigen Erfolge sind meist nicht nachhaltig. Gerade die ersten Lebensjahre spielen in der Prävention von Über- gewicht und Adipositas eine zentrale Rolle, da in dieser Zeit bedeutende Risikofakto- ren geprägt werden und zahlreiche Risikofaktoren ausschließlich in dieser Lebens- phase vermieden werden können.
Methodik: Analysiert wurden Daten aus zehn ambulanten Präventions- und Inter- ventionsprogrammen, die unter der Federführung der Sporthochschule Köln durch- geführt wurden, sowie aus zwei weiteren Datenerhebungen. Insgesamt lagen ca. 13.000 Datensätze vor. Neben den Einflussfaktoren auf den BMI (BMI-SDS) wurden Einflussfaktoren auf die motorische Leistungsfähigkeit jeweils im Quer- und Längs-
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schnitt untersucht.
Ergebnisse: Als Einfluss auf den Status quo des BMI/BMI-SDS zeigten sich die in der Literatur beschriebenen Determinanten, wie der Migrationshintergrund und das Gewicht der Eltern, besonders das der Mutter, sehr deutlich. Der Einfluss des SES, der Mediennutzungszeiten sowie der körperlichen Aktivität war eher heterogen, wo- bei die Literatur zu letzteren beiden ebenfalls sehr divergent ist. Meist werden diese Divergenzen methodisch begründet. Den stärksten Einfluss auf die motorische Leis- tungsfähigkeit, die als Marker für die körperliche Fitness gilt, hatte wiederum das Gewicht. Dies macht deutlich, dass die Determinanten sich wechselseitig beeinflus- sen, was wiederum eine eindeutige Zuordnung von Ursachen und Wirkungen er- schwert. Während der Einfluss eines bestehenden Übergewichts oder gar einer Adi- positas auf die motorische Leistungsfähigkeit im Vorschulalter noch nicht so ausge- prägt ist, zeigten die Daten, dass dieser mit zunehmendem Alter im Sinne eines Schereneffektes immer stärker wird.
In den Verlaufsdaten der Kölner Programme konnten die Kinder im Vorschulalter (Ball & Birne, Kita fit und KiMo) in den Interventionsgruppen das Gewicht halten, während es in den Kontrollgruppen signifikant anstieg. In den Interventionen für das Grundschulalter (CHILT I, Gesundheit macht Schule, StEP TWO, FOG) war der pro- zentuale Gewichtszuwachs signifikant geringer als in den Kontrollgruppen. Das ist deshalb besonders hervorzuheben, da sich in der Literatur kaum Interventionen mit einem (positiven) Einfluss auf die anthropometrischen Daten finden. Die Entwicklung der motorischen Leistungsfähigkeit korrelierte im Untersuchungszeitraum wiederum sehr deutlich mit dem Gewicht, d. h., je übergewichtiger die Kinder waren, desto schlechter war deren motorische Entwicklung im untersuchten Zeitraum. Im jeweili- gen Untersuchungszeitraum konnten alle Kinder ihre motorische Leistungsfähigkeit verbessern, aber mit signifikant besseren Ergebnissen in den meisten Interventions- gruppen. Hier profitierten besonders die übergewichtigen und adipösen Kinder – und diese wiederum, je jünger sie waren. So konnten die Kinder aus den Kindergarten- programmen ihre motorischen Defizite binnen kurzer Zeit ausgleichen. Selbst bereits adipöse Kinder, die deutlich schlechter abschnitten als ihre normalgewichtigen Al- tersgenossen, schafften es innerhalb der halbjährigen Intervention fast, zu diesen aufzuschließen. Je älter die Kinder waren, desto schwieriger war es für sie, ihre mo- torischen Defizite gegenüber ihren normalgewichtigen Altersgenossen auszuglei-
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chen, womit sich der ohnehin bestehende Schereneffekt im weiteren Verlauf über- proportional vergrößerte.
Diskussion: Die untersuchten Programme der Sporthochschule Köln belegten den positiven Effekt körperlicher Aktivität sehr deutlich, woraus sich maßgebliche Hinwei- se für die Ausgestaltung von Präventionsprogrammen ergeben: Bewegungsmangel ist eine der Hauptursachen für Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendal- ter und führt in der Folge zu motorischen Defiziten. Beides begünstigt wiederum ei- nen Bewegungsmangel und mündet in einen Teufelskreis, den es zu verhindern oder so früh wie möglich zu durchbrechen gilt. Dass ein frühes Intervenieren sich lohnt, zeigen besonders die Ergebnisse der Vorschulkinder.
Damit Prävention wirken kann, bevor Übergewicht entsteht, ist unbedingt auch das Lebensumfeld der Kinder in den Fokus zu nehmen. In erster Linie müssen die Eltern sich ihrer Verantwortung bewusst werden, z. B. hinsichtlich der epigenetischen Prä- gung und ihrer Vorbildfunktion. Zum einen kann mit einer frühen Ansprache durch den Hausarzt und/oder Gynäkologen schon zum Zeitpunkt der Familienplanung eine Gewichtsreduktion bei den Müttern erfolgen. Zum anderen sind im Sinne eines mul- timodalen Ansatzes die Eltern in die Programme zu involvieren. Familien mit Migrati- onshintergrund bedürfen einer kultursensiblen Ansprache, um ihnen den Zugang zu Präventivmaßnahmen zu erleichtern.
Der Lebensstil der Kinder wird früh geprägt, womit sich für die Prävention gleicher- maßen Verpflichtungen und Chancen ergeben. Werden Elemente wie gesunde Er- nährung und körperliche Aktivität bzw. Reduzierung der Sitzzeiten früh in das Leben der Kinder implementiert, besteht eine große Chance, dass dieses Verhalten beibe- halten wird. Hierzu eignen sich universelle Präventivmaßnahmen, wie die untersuch- ten Kölner Programme, die vor allem deshalb in Kindergärten und spätestens Grund- schulen stattgefunden haben, da die Kinder dort sehr früh erreicht und alle sozialen Schichten angesprochen werden können. Hier hat sich die körperliche Aktivität als ein erfolgreicher Baustein herausgestellt, da die Anleitungen gezielt und unter Feder- führung geschulter Übungsleiter stattgefunden haben. Die Übungsleiter waren in der Lage, den Kindern Erfolg und somit Spaß an ihrer motorischen Leistungsfähigkeit zu vermitteln, was für die Nachhaltigkeit elementar ist. Eine einfache Erhöhung der kör- perlichen Aktivität von ca. einer Stunde wöchentlich zeigte hingegen keine Erfolge. Ziel muss es also sein, die körperliche Aktivität bei Kindern und Jugendlichen im All-
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tag zu steigern. Hierzu eignet sich eine deutliche Erhöhung der angeleiteten Bewe- gungseinheiten, z. B. im Kindergarten und im Rahmen des Schulsports. Außerdem sollte eine Steigerung der Alltagsbewegung angestrebt werden. Die Mitgliedschaft in Vereinen zeigte sich in den Untersuchungen als weiterer positiver Einflussfaktor auf das Gewicht der Kinder. Vor diesem Hintergrund ist die Kooperation von Kindergär- ten und Schulen mit Vereinen zu empfehlen.
Da ein verändertes Lebensumfeld die Entstehung von Übergewicht und Adipositas begünstigt, sind zudem verhältnispräventive Maßnahmen erforderlich. Das bedeutet, dass die Politik auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene mit in die Verantwor- tung genommen werden muss.
Limitierungen: Die Entstehung der kindlichen Adipositas ist komplex und viele (wich- tige) Determinanten konnten nicht in die Analysen einfließen, da sie nicht in allen Programmen gleichermaßen erhoben wurden (z. B. Ernährung, Körperfettanteil) oder die Ergebnisse in unterschiedlichen Formaten vorlagen (z. B. Intensität der sportli- chen Aktivität). Die Komplexität und vor allem das Wechselspiel der Determinanten in einem Zusammenhang zu erfassen, ist nach wie vor schwierig und wird auch für künftige Forschungsbestrebungen eine der größten Herausforderung bleiben.
Fazit: Trotz der vielen durchgeführten Präventionsprogramme fehlt es noch an guten Evaluationen und aussagekräftigen Studien. Neben fehlender Standards ist die unzu- reichende Studienlage auch in der Komplexität und im Zusammenspiel der Determi- nanten begründet, die Übergewicht und Adipositas verursachen und begünstigen. Darüber hinaus muss hinterfragt werden, ob die Reduktion des BMI/BMI-SDS der richtige Outcome-Parameter für die Erfolgsmessung zukünftiger Präventionspro- gramme ist oder ob die Körperzusammensetzung (Körperfettanteil) mehr in den Fo- kus rücken müsste. Der Nutzen von Prävention an sich ist unbestritten und die vor- liegenden Daten zeigen nennenswerte Erfolge, vor allem, wenn die Kinder früh und gezielt zur körperlichen Aktivität angeleitet werden. Mit jedem Jahr, in dem keine Präventionsmaßnahme erfolgt, schwindet die Chance für die gefährdeten Kinder, gesund älter zu werden. Denn ist Übergewicht oder gar eine Adipositas erst einmal entstanden, ist es für ältere Kinder und Jugendlichen nahezu unmöglich, wieder dau- erhaft normalgewichtig zu werden – auch das haben die Studien eindrucksvoll ge- zeigt.
M3 - Dissertationsschrift
BT - Ausgewählte Einflussfaktoren für die Entstehung von Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendalter - Ansätze für die Prävention
PB - Deutsche Sporthochschule Köln
CY - Köln
ER -