Biomechanik von unikondylären und bikondylären Knieendoprothesen bei alltagsrelevanten Lokomotionsformen

Publikation: Buch/BerichtDissertationsschrift

Abstract

Die Kniearthroplastik wird heute erfolgreich als Behandlungsmethode bei Patienten mit degenerativer Gonarthrose im Endstadium eingesetzt und dient in erster Linie dazu Schmerzen zu reduzieren und die Gelenkfunktion wiederherzustellen. Man unterscheidet im Allgemeinen zwischen unikondylären und bikondylären Knieendoprothesen. Bei unikondylären Prothesendesigns wird nur das von der Gonarthrose betroffene Gelenkkomparti-ment des Femurs und der Tibia ersetzt. Kreuz- und Seitenbänder bleiben erhalten. Bei bikondylären Prothesendesigns hingegen wird sowohl das laterale als auch das mediale Gelenkkompartiment ersetzt. Das vordere Kreuzband wird hierbei reseziert und das hintere Kreuzband bleibt entweder erhalten oder wird ersetzt. Der Einsatz von unikondylären Knie-endoprothesen repräsentiert immer noch einen sehr kleinen Bereich der gesamten Kniearthroplastik, wobei mit diesem Prothesendesign Vorteile u.a. hinsichtlich der Wiederherstellung n o r m a l e r Gelenkkinematik im Vergleich zu Knietotalendoprothesen assoziiert werden. Dies wurde in bisherigen Studien unter Berücksichtigung alltagsrelevanter Loko-motionsformen noch nicht hinreichend genug untersucht. Ziel dieser Arbeit war es Patienten mit knieendoprothetischem Gelenksersatz und einer nichtoperierten gesunden Kontrollgruppe auf mögliche Unterschiede hinsichtlich ausgewählter biomechanischer Parameter beim Bewältigen alltagsrelevanter Lokomotionsformen zu untersuchen. Weiterhin stand im Vordergrund der kinematische und kinetische Vergleich zwischen uni-und bikondylären Knieendoprothesen bzw. Knietotalendoprothesen.

Eine 3D-Bewegungsanalyse wurde mittels eines optoelektronischen Messsystems (Vicon Nexus, Vicon Motion Systems, Oxfort, UK) durchgeführt. Bodenreaktionskräfte wurden mit Kraftmessplatten aufgezeichnet (Kistler, Instrumente AG, Winterthur, CH). Muskelaktivität des M. semitendinosus und M. biceps femoris wurde mit einem telemetrischen Elektromyographiesystem gemessen (TeleMyo, Noraxon USA Inc., Scottdale, USA). Für die Berech-nung der Gelenkwinkel und Drehmomente wurde ein in AnybodyTM Modelling System (Any-Body Technology, Aalborg, DK) integriertes invers-dynamische Mensch-Modell verwendet. Die Probanden absolvierten Gehen auf ebenem und geneigtem Untergrund sowie Treppensteigen in auf- und absteigender Richtung.

Die Knietotalendoprothesen-Gruppe zeigte insbesondere beim Rampenabwärtsgehen und Treppensteigen erheblich eingeschränkte Knieinnenrotationswinkel im Vergleich zur Kon-trollgruppe und zum nichtoperierten Bein. Die Patientengruppe mit unikondylären Knieen-doprothesen zeigte eine limitierte Knieinnenrotation nur zwischen dem operierten und nichtoperierten Bein. Kein Unterschied konnte zwischen der Gruppe mit unikondylären Knieendoprothesen und Knietotalendoprothesen detektiert werden.

Mögliche Ursachen für die limitierte Knieinnenrotation in der Knietotalendoprothesen-Gruppe kann die geometrische Form zwischen den Implantatskomponenten sein, die aufgrund des Formschlusses einen mechanischen Rotationswiderstand bilden. Weiterhin könnte große Reibung ebenfalls einen Rotationswiderstand aufbringen, der zu einer Knieinnenrotationseinschränkung sowohl in der Knietotalendoprothese führen kann, als auch in der unikondylären Knieendoprothese. Eine Limitation der Knieinnenrotation unter Einwirkung von nicht reduzierten Knieinnenrotationsdrehmomenten kann zu einer Lockerung des Tibiaplateaus beitragen, da eine relativ große Torsionskraft auf die Schnittstelle zwischen Knochen und Implantat in Verbindung mit großer Reibung zwischen den zwei Implantatskomponenten einwirkt. Durch diesen Mechanismus findet eine Migration des Tibiaplateaus um die Longitudinalachse statt, was letztendlich zu einer Lockerung und damit zu einer Revisionsoperation führen kann. Die Untersuchung von Kokontraktion zwischen dem M. semitendinosus und M. biceps femoris ergab keine Hinweise darauf, dass diese ursächlich für die Knieinnenrotationseinschränkung ist. Die Ergebnisse dieser Arbeit
verdeutlichen, dass man derzeit nicht von einem klaren Vorteil der unikondylären Knieendoprothesen im Vergleich zu Knietotalendoprothesen hinsichtlich einer natürlicheren Biomechanik im ersetzten Kniegelenk ausgehen kann.

OriginalspracheDeutsch
ErscheinungsortKöln
VerlagDeutsche Sporthochschule Köln
Seitenumfang145
PublikationsstatusVeröffentlicht - 2018

Zitation