Das Ende der Fairness? Ethische Werte aus dem Sport im Spiegel der Gesellschaft

Matthias Wilke

Publikation: Buch/BerichtDissertationsschrift

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Abstract

Nach einer ausführlichen Bestandsaufnahme und Diskussion der sportwissenschaftlichen Literatur zu Fairness und Fair Play wird erörtert, worin Fairness eigentlich besteht. Sie wird strikt zum Aspekt der Regelkonformität abgegrenzt und stattdessen als eine Einstellung beschrieben, die ein Individuum auf der Basis von Überzeugungen und Erziehung in bestimmten Situationen „fair“ handeln lässt. Fairness ist weit gehend unreflektiert und nicht rational begründet, sondern gehorcht, wie mit einem ausführlichen Seitenblick auf verhaltensbiologische Forschungen belegt wird, einem moralischen Instinkt, der uns durch die Evolution zugewachsen ist. Fairness ist soziale Kompetenz. Wie ausführlich dargestellt wird, gibt es ein Delta zwischen expliziten Forderungen von Sportregeln, der allgemeinen Gesetze oder Regeln des Handels- und Wirtschaftsrechts und der Absicht von Fairness und Fair Play. Dementsprechend ist auf allen diesen Gebieten eine Opportunitätsmoral anzutreffen in dem Sinne, dass zwar jeder für Fairness ist, aber keineswegs alle bereit sind, dafür einen Preis zu bezahlen und auf einen eigenen Vorteil zu verzichten. Es wird versucht aufzuzeigen, dass eine Förderung von Fairness und Fair Play der Versuchung nach weiterer Regelung und Sanktionierung widerstehen muss. Fairness als ethisches Prinzip benötigt Freiräume und den daraus erwachsenen ‚Handlungsbedarf des Augenblicks‘, der situativ, spontan und subjektiv gefüllt wird, ohne damit ein Präjudiz für ein grundsätzliches Verhalten in derartigen Situationen abzugeben. Damit gewinnt Fairness einen paradoxen Zug: Im Gegensatz zu dem Gleichheits- und Gerechtigkeitsanspruch, der allen sportlichen Regelwerken oder rechtlichen Gesetzesstandards zu Grunde liegt, darf ein Handeln nach Fair Play zu gegebenem Anlass gegen den niedergelegten Regelungsstandard verstoßen. Das kann aus einem Impuls der Großzügigkeit geschehen oder auch nur aus dem Gehorsam gegenüber dem Spielgedanken. In der Konsequenz muss die Verantwortung für einen fairen Spielbetrieb oder Wettkampf wieder an die Spieler und Akteure zurückgegeben. Das Gleiche gilt für die gesamte Gesellschaft, die in der Fairness ein Prinzip des gerechten Ausgleichs sieht und auch juristische Entscheidungen zunehmend in die Hände der Betroffenen legt. Wie durch eine empirische Studie und die Befragung von 230 Multiplikatoren aus dem Sport nachgewiesen werden kann, steht Fairness durchaus ‚hoch im Kurs‘. Partnerschaftliches Handeln und der Blick auf die Interessen und Bedürfnisse des Anderen gehören zum anerkannten Katalog sozialer Kompetenzen. Die Mehrheit scheint bereit zu sein, die Verantwortlichkeiten als kooperative Partner zu achten und die Rollen zu erfüllen, die Menschen in spezifischen sozialen Zusammenhängen zu spielen haben. Das gilt für den Sport wie für andere gesellschaftliche Bereiche. Gestützt auf das empirische Material wären weitere, vergleichende Auswertungen denkbar, die Wechselwirkungen zwischen dem Image einer Sportart, ihrer Fair Play-Attraktivität und dem öffentlichen Interesse tiefer untersuchen könnten. Auch könnte es lohnend sein, dem Fairness-Begriff im Gebrauch der Medien und seinem möglichen Bedeutungswandel nachzuspüren oder die Genderfrage ausführlicher zu diskutieren („Sind Frauen fairer als Männer?“). Diese Aspekte können in der vorliegenden Arbeit nur angedeutet werden.
OriginalspracheDeutsch
ErscheinungsortKöln
VerlagDeutsche Sporthochschule Köln
Seitenumfang336
PublikationsstatusVeröffentlicht - 2009

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