Der Einfluss der erythrozytären Verformbarkeit auf die Ausdauerleistungsfähigkeit

Publikation: Buch/BerichtDissertationsschrift

Abstract

Einleitung:
Die zentrale Funktion von Erythrozyten (red blood cells, RBC) ist der Sauerstofftransport von der Lunge hin zu Organen und zur arbeitenden Skelettmuskulatur sowie der Abtrans-port von Kohlenstoffdioxid hin zur Lunge. RBC sind verformbar, sodass sie in der Mikrozir-kulation auch kleinste Kapillarpassagen passieren können. Diese besitzen häufig einen kleineren Durchmesser als die RBC selbst. Nur eine gute erythrozytäre Verformbarkeit kann den erhöhten Sauerstoffbedarf der Skelettmuskulatur unter sportlichen Belastungssi-tuationen bedienen und so eine bestmögliche sportliche Leistungsfähigkeit gewährleis-ten. Das übergeordnete Ziel dieser kumulativen Arbeit war es, zu untersuchen inwiefern die erythrozytäre Verformbarkeit die sportliche Ausdauerleistungsfähigkeit beeinflusst. In den einzelnen Studien wurde daher untersucht, auf welche Art und Weise sich akute Aus-dauerbelastungen und eine mehrwöchige Ausdauertrainingsintervention auf die erythro-zytäre Verformbarkeit und Anpassungen in der Altersstruktur auswirken. Darüber hinaus galt es, den Einfluss von hochleistungsorientiertem Training, wie es von Athleten durchge-führt wird, auf die erythrozytäre Verformbarkeit zu untersuchen. Zuletzt wurde ein expe-rimenteller Versuch unternommen, die erythrozytäre Verformbarkeit akut zu verbessern und zu evaluieren, ob diese Verbesserung in einem direkten Zusammenhang mit einer akuten Leistungssteigerung steht.
Methoden und Ergebnisse:
In der Studie des Originalartikels 1 wurden 27 unterschiedlich trainierte männliche Pro-banden nach einer Eingangsuntersuchung mit spiroergometrischer Untersuchung in drei Gruppen je nach Ausdauerleistungsfähigkeit eingeteilt. Alle Probanden führten im An-schluss zwei Laufbelastungen (moderat und intensiv) durch, wobei ihnen vor und unmit-telbar nach der Belastung venöses Blut entnommen wurde. Die RBC der Blutproben wur-den mittels Percoll Dichte Gradienten Zentrifugation nach Alter getrennt, sodass Subfrak-tionen entsprechend verschieden alten RBC separat untersucht werden konnten. Es wur-de der relative Anteil der jeweiligen Alterspopulationen an der Gesamtpopulation be-rechnet. Die erythrozytäre Verformbarkeit der Gesamtpopulation und der Subpopulatio-nen wurde mittels ektazytometrischer Messung (LORCA) gemessen, woraus sich der maxi-male theoretische Elongationsindex (EImax) errechnen lässt. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass die basale erythrozytäre Verformbarkeit von unfraktionierten RBC positiv mit der VO2peak und der maximalen Laufgeschwindigkeit der Probanden korreliert. Die hoch-trainierten Probanden wiesen im Vergleich mit den normal- und untrainierten Probanden mit 20% fast doppelt so viele junge RBC auf. Die hochtrainierten Probanden wiesen hin-gegen in der mittelalten Hauptfraktion der RBC weniger RBC auf als die normal- und un-trainierten Teilnehmer. In Response zu den beiden Laufbelastungen zeigte sich, dass sich weder die erythrozytäre Verformbarkeit der Gesamtpopulation, noch der Subpopulatio-nen veränderte. Dies wurde bei allen Probandengruppen beobachtet.
In der Studie des Originalartikels 2 führten 31 weitestgehend untrainierte männliche und weibliche Probanden eine sechswöchige Laufintervention durch, wobei vor und nach der Intervention eine spiroergometrische und laktatbasierte Leistungsdiagnostik durchgeführt wurde. Unter Ruhebedingungen erfolgte vor und nach der Intervention eine venöse Blut-entnahme. In dieser Studie wurde neben der erythrozytären Verformbarkeit und ausge-wählten hämatologischen Parametern zudem die erythrozytäre Nitrit Konzentration als Marker für die erythrozytäre Stickstoffmonoxid Konzentration mittels Chemilumineszenz-Detektion (CLD) gemessen. Für die Messung der erythrozytären Verformbarkeit wurde neben des EImax auch der Scherstress, der nötig ist, um eine halbmaximale Verformbarkeit zu erreichen (SS1/2), aufgenommen. Weiterführend wurde der Quotient aus SS1/2 und EImax (EIRatio) errechnet. Sowohl niedrige SS1/2 als auch niedrige EIRatio werte spiegeln eine hohe erythrozytäre Verformbarkeit wider. Als Ergebnisse konnten in dieser Studie eine Links-verschiebung zu jüngeren RBC als auch eine Rechtsverschiebung zu mehr leistungsfähigen älteren RBC nachgewiesen werden. Das zusätzliche Training resultierte in einer Leistungs-steigerung der Ausdauerleistungsfähigkeit (VO2peak) der Probanden und einem ökonomi-scheren Laktatstoffwechsel. Während der erythrozytäre NO-Stoffwechsel in der Gesamt-population und den Subpopulationen geringere Nitrit-Werte aufwies, nahm die Verform-barkeit (EImax) in der Gesamtpopulation ab. Erniedrigte SS1/2 und EIRatio Werte der erythro-zytären Gesamtpopulation wiesen dennoch auf positive funktionelle Anpassungen der RBC hin.
In der Querschnittstudie des Originalartikels 3 wurden 182 männliche und weibliche Leis-tungssportler mit Kader- oder Bundesligazugehörigkeit rekrutiert. Es wurde die erythro-zytäre Verformbarkeit (EImax, SS1/2, EIRatio ) aus kapillaren Blutproben gemessen. Die Ergeb-nisse dieser Studie zeigen, dass es keinen Unterschied in der erythrozytären Verformbar-keit zwischen männlichen und weiblichen Athleten gibt. Darüber hinaus steigt die eryth-rozytäre Verformbarkeit von der Pubertät bis zum Erwachsenenalter an, was besonders bei den männlichen Athleten zu beobachten war. Hinsichtlich der ausgeübten Sportart der Athleten ging ein hoher Ausdaueranteil in der Sportart mit höheren Werten der erythro-zytären Verformbarkeit einher.
In der Studie des Originalartikels 4 führten 10 männliche Probanden in einem randomi-sierten und Placebo kontrollierten Crossover-Desgin ein remote ischemic preconditioning (rIPC) Manöver mit anschließender Fahrradbelastung und laktatbasierter Leistungsdiagnos-tik durch. Zudem wurde aus kapillarem Blut die erythrozytäre Verformbarkeit (EImax) ge-messen. Bei Betrachtung der Ergebnisse der gesamten Stichprobe ließ sich weder ein Ef-fekt des rIPC Manövers auf die Leistungsfähigkeit noch auf die erythrozytäre Verformbar-keit beobachten. Wenn zuvor das rIPC Manöver durchgeführt wurde, zeigten allerdings fünf Probanden eine Leistungsverbesserung von mehr als 10 Prozent an der zwei mmol/L Laktatschwelle im Vergleich zur Kontrollsituation. Bei diesen „Respondern“ stieg zudem die erythrozytäre Verformbarkeit an. Dies lässt auf einen möglichen Zusammenhang zwi-schen einem akuten Anstieg der erythrozytären Verformbarkeit und einer akuten Verbes-serung der Leistung im submaximalen Bereich schließen. Es konnte daher ein möglicher Zusammenhang zwischen dem akuten Anstieg der erythrozytären Verformbarkeit und der akuten Verbesserung der Leistung im submaximalen Bereich beobachtet werden.
Schlussfolgerungen:
In den Studien dieser Arbeit konnte festgestellt werden, dass die erythrozytäre Verform-barkeit positiv mit der Ausdauerleistungsfähigkeit korreliert. Dies lässt sich zum Teil durch einen erhöhten „Turnover“ der RBC und einem damit einhergehenden erhöhten Anteil junger RBC erklären. Akute Laufbelastungen führen zu keinen Veränderungen in der eryth-rozytären Verformbarkeit. Eine mehrwöchige Laufintervention hingegen führt zu positiven Veränderungen in der erythrozytären Altersstruktur und Funktion im Sinne einer Verjün-gung der RBC Population, einer Ökonomisierung des NO Stoffwechsels und einer positiven Anpassung des SS1/2 und EIRatio. Allerdings nahm der EImax der Gesamtpopulation, vermutlich durch den kurzfristig erhöhten Anteil junger und weniger verformbarer RBC, ab. Chroni-sches leistungsorientiertes, ausdauerdominantes Training führt zu einer verbesserten erythrozytären Verformbarkeit im Vergleich mit kraftdominanten Sportarten. Die erythro-zytäre Verformbarkeit steigt besonders bei männlichen Athleten in der Pubertät bis zum Erwachsenenalter an, was auf einen möglichen Einfluss der Sexualhormone auf die RBC schließen lässt, wohingegen kein Unterschied in der erythrozytären Verformbarkeit zwi-schen männlichen und weiblichen Athleten festgestellt werden konnte. Des Weiteren war ein möglicher Zusammenhang zwischen einer akuten Erhöhung der erythrozytären Verformbarkeit, induziert durch ein rIPC Manöver, mit einer Leistungssteigerung im sub-maximalen Bereich zu beobachten. Dieses Phänomen wurde allerdings nur bei „Respon-dern“ detektiert und sollte mit einer größeren Stichprobe bestätigt werden.
Alle vier Studien liefern vertiefende Einblicke in die Funktion und Wirkungsweise der RBC im Kontext Sport. Eine verbesserte erythrozytäre Funktionsfähigkeit, einhergehend mit einer guten Verformbarkeit, kann als eine zentrale Determinante der Leistungsfähigkeit, gerade im aeroben Ausdauerbereich, gesehen werden.

OriginalspracheDeutsch
ErscheinungsortKöln
VerlagDeutsche Sporthochschule Köln
Seitenumfang42
PublikationsstatusVeröffentlicht - 2018

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