In vitro Metabolismus synthetischer Cannabinoide und deren Nachweis in vivo

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Abstract

Der Nachweis einer Aufnahme von synthetischen Cannabinoiden mittels Urin-Screenings erfordert Kenntnis über deren Metabolismus, Hauptmetaboliten und daraus abgeleiteten substanzspezifischen Metaboliten, die sich beispielsweise in eine LC-MS/MS Methode implementieren lassen. Die im Rahmen der gegenständlichen Dissertation identifizierten substanzspezifischen Metaboliten wurden in eine LC-ESI-MS/MS Methode implementiert, mit der Urin-Proben auf synthetische Cannabinoid-Metaboliten untersucht werden. Die Methode wurde parallel zu dieser Dissertation entwickelt und publiziert.
Stehen keine Urin-Proben von nachweislichen Konsumenten synthetischer Cannabinoide zur Verfügung, um deren in vivo Metabolismus aufzuklären, werden zur Identifizierung möglicher Metaboliten verschiedene in vitro Assays verwendet. Diese bieten nicht nur das Potential, eine große Bandbreite an Metaboliten abzudecken und in vitro - in vivo Extrapolationen durchzuführen. Sie ermöglichen es auch, den Einflusses von Polymorphismen bei CYP Isoenzymen oder einer Aufnahme von anderen Xenobiotika auf den Metabolismus synthetischer Cannabinoide zu untersuchen.
Die im Rahmen der gegenständlichen Dissertation durchgeführten einzelnen Metabolismus-Studien wurden auf den Phase I-Metabolismus beschränkt, da die Urin-Proben für klinische und toxikologische Analysen, aber auch für Doping-Kontrollen, vor der Untersuchung in der Regel zunächst mit β-Glucuronidase inkubiert werden.
Primäres Ziel der vorliegenden Dissertation war es, den Phase I-Metabolismus der syntheti-schen Cannabinoide THJ-018 und THJ-2201 (5F-THJ-018) sowie EG-018 und EG-2201 (5F-EG-018) unter Verwendung verschiedener in vitro Assays zu untersuchen. Als in vitro As-says wurden zwei mikrosomale Assays (pHLM und CYP) sowie ein Pilzmodell (C. elegans) eingesetzt. Mittels Untersuchung von Urin-Proben nachweislicher THJ-018-, THJ-2201- und EG-018-Konsumenten sowie Vergleich mit Literaturdaten zu Urin-Screenings sollten weiterhin die Möglichkeiten und Grenzen von in vitro – in vivo Extrapolationen mit den genannten As-says bewertet werden. Die in vivo Metaboliten und generierten in vitro Metaboliten wurden nach extraktiver Aufarbeitung mittels LC-ESI-MS/MS bzw. LC-HRMS vermessen und ausge-wertet.
Eine weitere Zielsetzung war die Untersuchung der post-mortem Verteilung des syntheti-schen Cannabinoids MDMB-CHMICA und dessen Metaboliten in verschiedenen biologischen Matrices und die Herausarbeitung geeigneter Matrices für post-mortem Untersuchungen auf synthetische Cannabinoide im Bereich der Leichentoxikologie – im Hinblick darauf, die Inter-pretation vergleichbarer Fälle zu erleichtern und Empfehlungen zum Nachweis einer Intoxika-tion mit synthetischen Cannabinoiden zu formulieren.
Der erste Artikel umfasst den Phase I-Metabolismus der synthetischen Cannabinoide THJ-018 und THJ-2201, der mittels pHLM und CYP Inkubationen sowie Urin-Screening unter Ver-wendung extraktiver Aufarbeitung (SPE) und LC-HRMS untersucht wurde. Nach pHLM Inku-bation konnten 33 verschiedene THJ-018 sowie 46 verschiedene THJ-2201 in vitro Metaboli-ten identifiziert werden. Durch Vergleich mit den durch Urin-Screening generierten in vivo Er-gebnissen konnten letztendlich geeignete substanzspezifische Metaboliten empfohlen wer-den. Für THJ-018 war dies der an der Pentyl-Seitenkette dehydrogenierte Metabolit M07.1 und für THJ-2201 der am Naphthyl-Ring monohydroxylierte Metabolit F01.1.
Der zweite Artikel umfasst den Phase I-Metabolismus der synthetischen Cannabinoide EG-018 und EG-2201, der mittels pHLM, CYP und C. elegans Inkubationen sowie Urin-Screening unter Verwendung extraktiver Aufarbeitung (LLE und SPE) und LC-MS/MS untersucht wurde. Mittels pHLM Assay war es möglich, 15 verschiedene EG-018 sowie 21 verschiedene EG-2201 in vitro Metaboliten zu identifizieren. Als geeignete substanzspezifische Metaboliten für ein Urin-Screening wurden der an der Pentyl-Seitenkette monohydroxylierte EG-018 Metabolit M1.2 und die zwei an der 5F-Pentyl-Seitenkette monohydroxylierten EG-2201 Metaboliten F1.1 und F1.2 identifiziert.
Hinsichtlich des CYP-abhängigen Metabolismus von THJ-018 und THJ-2201 sowie EG-018 und EG-2201 konnte gezeigt werden, dass dieser vorwiegend durch die CYP Isoenzyme 2C19, 3A4 und 3A5 bestimmt wird. Bei THJ-018 und THJ-2201 spielte zusätzlich das CYP Isoenzym 2B6 eine Rolle, für das wiederum bei dem in vitro Metabolismus von EG-018 und EG-2201 der geringste Beitrag beobachtet werden konnte. Im Gegensatz dazu spielten die CYP Isoenzyme 2D6 und 2C9 bei EG-018 und EG-2201 eine größere Rolle als bei THJ-018 und THJ-2201. Die Ergebnisse waren insgesamt betrachtet in guter Übereinstimmung mit den bisher publizierten Studien sowohl zum CYP-abhängigen Metabolismus von Phytocannabinoi-den als auch von synthetischen Cannabinoiden.
Der CYP-abhängige Metabolismus von THJ-018 und THJ-2201 sowie EG-018 und EG-2201 ist über mehrere CYP Isoformen verteilt. Da kein Metabolit ausschließlich von einer einzigen CYP Isoform gebildet wurde, wurde postuliert, dass der Beikonsum von anderen Drogen oder Medikamenten keinen großen Einfluss auf den Metabolismus dieser synthetischen Cannabi-noide hat und somit keine klinisch relevanten Interaktionen zu erwarten sind.
Jedoch sind aufgrund kontroverser Literatur weitere vergleichende Untersuchungen des CYP-abhängigen Metabolismus von THJ-018 und THJ-2201 sowie EG-018 und EG-2201 nötig, um die Rolle der in den Metabolismus-Studien identifizierten CYP Isoenzyme zu verifi-zieren, und den Einfluss des Beikonsums anderer Drogen oder Medikamente abschließend bewerten zu können. Beispielsweise wären ergänzende Untersuchungen mit pHLM unter Zusatz spezifischer CYP Inhibitoren oder Induktoren möglich.
Der dritte Artikel umfasst neben den Ergebnissen der STA den Nachweis von MDMB-CHMICA und dessen Metaboliten in post-mortem Proben im Fall eines 27 Jahre alt geworde-nen Mannes. Die Extraktion bzw. Quantifizierung von MDMB-CHMICA erfolgte mittels LLE, Standardadditions-Verfahren bzw. 3-Punkt-Kalibrationen und LC-MS/MS. Die Untersuchung auf dessen Metaboliten, die zum Abgleich mittels pHLM Assay generiert wurden, erfolgte mit-tels SPE und LC-MS/MS. Qualitativ konnte MDMB-CHMICA in allen der post-mortem ent-nommenen Proben, einschließlich Urin, nachgewiesen werden. Die höchste Konzentration an MDMB-CHMICA konnte im Gehirn (5,5 ng/g) festgestellt werden. Aufgrund dieses Resultates wird diese Matrix für zukünftige post-mortem Analysen hinsichtlich synthetischer Cannabinoi-de empfohlen. Da bei der Obduktion keine Fettgewebe-Probe entnommen wurde, konnte kei-ne Aussage über deren MDMB-CHMICA Konzentration im Vergleich zu den anderen Matrices getroffen werden. Die in der Femoralblut-Probe festgestellte Konzentration betrug 1,7 ng/mL. Dieser Wert lag im Vergleich zu bisher publizierten Daten in einem toxikologisch relevanten Bereich. Aus dem errechneten Verhältnis zwischen der Konzentration im Herzblut und der Konzentration im Femoralblut ergab sich kein Hinweis für eine Anfälligkeit von MDMB-CHMICA gegenüber einer PMR. Die qualitative Untersuchung hinsichtlich Metaboliten ergab positive Ergebnisse für alle Matrices mit Ausnahme von Gehirn, Niere, Lunge und Magenin-halt. Als geeignete substanzspezifische Metaboliten für den Nachweis einer MDMB-CHMICA Aufnahme wurden die an der Cyclohexylmethyl-Seitenkette monohydroxylierten MDMB-CHMICA Metaboliten M1.1 herausgearbeitet.
Die Evaluation der in vitro – in vivo Extrapolationen in allen drei Studien hat gezeigt, dass die getesteten in vitro Assays (pHLM und CYP für THJ-018 und THJ-2201; pHLM, CYP und C. elegans für EG-018 und EG-2201; pHLM für MDMB-CHMICA) in der Lage sind, die in vivo detektierten Metaboliten abzubilden.
Die in den Metabolismus-Studien identifizierten geeigneten substanzspezifischen Metaboliten der synthetische Cannabinoide THJ-018 und THJ-2201, EG-018 und EG-2201 sowie MDMB-CHMICA wurden erfolgreich in die bereits erwähnte LC-MS/MS Methode zur qualitativen Un-tersuchung von Urin-Proben auf synthetische Cannabinoid-Metaboliten implementiert.
Ferner konnte für die untersuchten Substanzen gezeigt werden, dass die alleinige Verwen-dung von LC-MS/MS genügt, um in vivo Metaboliten von synthetischen Cannabinoiden zu detektieren und zu identifizieren. Jedoch stellt LC-HRMS in jedem Fall eine nützliche Ergän-zung bei strukturverwandten isomeren synthetischen Cannabinoiden (z. B. MDMB-CHMICA und BB-22 (QUCHIC)) oder nicht eindeutig zu identifizierenden Fragmentionen dar.
Die Ergebnisse dieser Arbeit offenbaren vor allem für Labore, die nicht über ein LC-HRMS System verfügen, die Möglichkeit, mittels der getesteten in vitro Assays substanzspezifische Metaboliten zu identifizieren und in eine qualitative LC-MS/MS Methode zu integrieren.
Aufgrund des hochdynamischen und kurzweiligen NPS-Marktes sollen zukünftig weitere Me-tabolismus-Studien durchgeführt und identifizierte Hauptmetaboliten in die bestehende LC-MS/MS Methode implementiert werden. Trotz der nachgewiesenen Eignung der getesteten in vitro Assays für in vitro – in vivo Extrapolationen sind auch für zukünftige Metabolismus-Studien Urin-Screenings für eine abschließende Verifizierung in vitro detektierter Metaboliten unerlässlich, bevor diese in die LC-MS/MS Methode aufgenommen werden.

OriginalspracheDeutsch
ErscheinungsortKöln
VerlagDeutsche Sporthochschule Köln
Seitenumfang78
PublikationsstatusVeröffentlicht - 2019

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