Ökologisch valide Ansätze zum Training von Kognition und Mobilität im Alter: Virtuelle Realität und Alltagsszenarien

    Publikation: Buch/BerichtDissertationsschrift

    Abstract

    Im Laufe der Lebensspanne kommt es aufgrund von Alterungsprozessen zu einer physischen und kognitiven Reduzierung der Funktionalität. Dies kann Ursache aber auch Folge der Alterungsprozesse sein. Aus klinisch neurowissenschaftlichen Studien geht hervor, dass im Alter vor allem das Volumen des präfrontalen Cortex reduziert ist. In diesem Bereich befinden sich wichtige kognitive Funktionen (z. B. exekutive Funktionen, Aufmerksamkeitssteuerung), die das alltägliche Denken und Handeln bestimmen. Neben diesen kognitiven Voraussetzungen spielt die Mobilität im Alter ebenfalls eine wichtige Rolle. Die Mobilität reicht von der physisch funktionellen Ebene bis hin zur Größe des genutzten Lebensraumes, welcher zu Fuß oder unter Nutzung von öffentlichen/privaten Verkehrsmitteln abgedeckt werden kann.
    In der Prävention und Rehabilitation werden sportliche und körperliche Aktivität hauptsächlich eingesetzt, um Beschwerden des Bewegungsapparates entgegen zu wirken. Studien konnten zeigen, dass die Aktivität nicht nur auf physischer Ebene wirkt, sondern auch die Plastizität des Gehirns anregt und kognitive Funktionen verbessert werden können. Bereits akute sportlich körperliche Aktivität hat das Potential kognitive Leistungen temporär zu verbessern. Aus einer aktuellen Überblicksarbeit geht diesbezüglich hervor, dass Effekte vor allem bei jungen und älteren Erwachsenen zu erwarten sind. Darüber hinaus lässt sich die Kognition im Alter auch durch ein computerbasiertes Training verbessern. Interessant ist hierbei die Nutzung virtueller Realitäten (z. B. Fahrsimulation) oder Exergames (z. B. Nintendo Wii®), welche eine entsprechend hohe ökologische Validität versprechen. Neben computerbasierten Interventionen sind Alltagsaktivitäten eine weitere vielversprechende Möglichkeit. Komplexe Alltagsaufgaben können vor allem im höheren Alter motivierend wirken und einen Transfer von Gelerntem begünstigen.
    Die folgende Arbeit beschäftigt sich mit zwei verschiedenen und vorrangig ökologisch validen Interventionsansätzen, um bei älteren Erwachsenen die Kognition und Mobilität zu verbessern. Sie gliedert sich zu diesem Zweck in drei Bereiche: (I) kognitives Training im ökologisch validen Setting; (II) sportliche Aktivität und Kognition; und (III) ein ganzheitlicher ökologisch valider Ansatz für die Förderung der Kognition und anderer gesundheitlicher Aspekte. Die Studien I und II dieser Arbeit befassen sich mit den kognitiven Funktionen während einer Fahrsimulation sowie möglichen Trainingseffekten. Es konnte gezeigt werden, dass verschiedene zusätzliche Aufgaben (z. B. Zahlen eintippen, Gespräche, Merkaufgaben) im Alter die Fahrleistungen beeinträchtigen, es jedoch auch zu Kompensationsmechanismen kommt. Ein Training am Fahrsimulator hingegen konnte die positiven Effekte auf kognitiver Ebene vorheriger Studien nicht belegen.
    Die dritte Studie dieser Arbeit beschäftigt sich mit dem zweiten oben genannten Bereich sowie der Reliabilität standardisierter kognitiver Laboraufgaben. Die in dieser Studie gewählten Intensitäten waren mit denen von Alltagsaktivitäten vergleichbar. Es zeigte sich, dass die sportlichen Aktivitäten nur bedingt die kognitive Leistungsfähigkeit steigerten und laborbasierte etablierte Testverfahren Lerneffekte aufwiesen. Es wäre denkbar, dass komplexere Aktivitäten oder höhere Intensitäten die Effektivität steigern.
    Ein entsprechend komplexerer Ansatz wird in den Studien IV und V beschrieben, bei dem physische, psychologische und soziale Aspekte berücksichtigt wurden. Eine von uns entwickelte Smartphone-Applikation offerierte älteren Erwachsenen Alltagsaktivitäten (beispielsweise Spaziergänge, Besichtigungstouren) und leitete sie dabei an. Die Studie basierte auf einem motivationstheoretischen Ansatz zur Steigerung der körperlichen Aktivität: die Applikation stärkte die Kompetenz in der Durchführung der Aktivitäten, die Auswahl verschiedener Aktivitäten versprach ausreichend Autonomie und die Bildung von Kleingruppen sorgte für soziale Kontakte und Interaktionen. Jede Aktivität enthielt darüber hinaus ein kleines Quiz, welches eine kognitive Aktivierung zum Ziel hatte. Trotz eines sehr positiven Feedbacks und einer stetig im Interventionsverlauf steigenden Intensität, konnten keine Verbesserungen auf körperlicher, kognitiver oder motivationaler Ebene festgestellt werden. Diese Ergebnisse können unter anderem durch die bereits zu Beginn sehr motivierten und gesunden Probanden erklärt werden. Es bleibt offen inwieweit ein solches Programm bei multimorbiden Probanden zu gesundheitlichen Verbesserungen führt.
    Diese Arbeit erweitert die bestehende Literatur um zusätzliche Erkenntnisse bei älteren Erwachsenen im ökologisch validen Setting. Es scheinen das methodische Vorgehen als auch die Inhalte der genutzten Trainingsansätze eine wichtige Rolle zu spielen. Im Rahmen eines ganzheitlichen Ansatzes bietet die Verbindung von Sport und körperlicher Aktivität mit dem Alltag, vor allem auch mit computerbasierter Unterstützung, viele Vorteile für eine mögliche Verbesserung der Gesundheit. Die in dieser Arbeit vorgestellten ökologisch validen Ansätze bergen weiteres Entwicklungspotential. Bereits geringfügige Änderungen im Rahmen der Inhalte (z.B. Aktivitätsauswahl, Zusatzaufgaben, Intensitätssteigerungen) oder Zielgruppe (z.B. inaktive Senioren) könnten die Ergebnisse wesentlich verändern.
    OriginalspracheDeutsch
    ErscheinungsortKöln
    VerlagDeutsche Sporthochschule Köln
    Seitenumfang148
    PublikationsstatusVeröffentlicht - 2018

    Zitation